Alles über Schas und Lercherl

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 14/2016 zum 6.1.2016.

Liebe Frau Andrea,
ein Freund quittierte seinen nervenaufreibenden und problemreichen Wohnungsumzug mit den Worten: “Des war ka Lercherlschas!” Warum dies? Leiden die armen Vogerl unter so heftigen Blähungen, und wenn ja warum?
Ihre Renate Schweiger, per privatpostalisch zugestelltem Brief

Liebe Renate,

Vogelkundler und Ornithophile sind weitgehend uneins, ob und in welchem Ausmaß die gefiederte Welt zu Flatulenzen fähig ist. Beobesitzer und Papageienhalter wollen Darmwinde bei ihren Vögeln wahrgenommen haben. Großes Geknatter berichten aber auch sie nicht, ist die Kloake der Eierleger doch zu kurz für die Entwicklung ausgiebiger Viszeralmusik. Im Gegenteil. Der Ausdruck Lercherlschas weist auf die marginalen Fähigkeiten von Vögeln hin, sich leibhaftig zu entgasen. Ein Lercherlschas, vorgebracht vom wienerischesten aller Singvögel, ist denn auch das Synonym für eine Harmlosigkeit. “Kein Lercherlschas” wäre demnach das Gegenteil, die Anti-Lappalie, der Sisyphos-Akt, die Großanstrengung. Was aber verbinden die Wiener jenseits der Singvogelkunde mit dem Lercherl? Der Bogen der Bedeutungen ist weit gespannt. Er umfasst die mannstolle, liederliche Person, die (auch Schnepfe genannte) Prostituierte, generell den Dummkopf, speziell das Opfer eines Falschspielers, sodann den noch glimmenden Tschikstummel. Im Wien des Antisemiten Lueger wurden die frommen Ostjuden – wegen ihrer vermeintlich singsanghaften Sprache – ebenfalls als Lercherl bezeichnet. Auch Straßensänger und Operettenpersonal galten als Lercherl. Berühmt und gerühmt war das ‘Lercherl von Hernals’, die Wiener Operrettensopranistin Betty “Wetty” Fischer (1887-1969). Aus jüdischer Familie stammend, sang sie am Raimundtheater, im Ronacher und am Theater in der Wien. In ihrem Nachlass fand man 23 Koffer mit 900 exquisiten Kleidern. Etwas sparsamer gekleidet war der Straßensänger Emil Thun, der bis in die 80erjahre durch Wien zog und das Publikum mit Knopferlharmonika und transzendierender Falsettstimme irritierte und faszinierte. Er nannte sich nach seinem Leiblied, einem Song Leo Aschers aus der Operetten-Burleske „Vindobona, du herrliche Stadt“ ebenfalls “Lercherl von Hernals”, oder schlicht “Das Lercherl”.


comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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