Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 06/2016 zum 10.2.2016.
Sehr geehrte Comandantina!
Ständig hören wir von der „Herabstufung“ von Banken, Staaten etc. durch Ratingagenturen. Jetzt gehört ja „herab“ nicht mehr so wirklich zum alltäglichen Sprachgebrauch, wird aber in diesem Zusammenhang fast sakrosankt verwendet (und auch widerspruchslos an Stelle der zu erwartenden „Abstufung“ akzeptiert). Was ist denn die ursprüngliche Bedeutung von herab? Meint es den Abstieg von der absoluten (göttlichen) Höhe einer Agentur, über der es keine andere mehr gibt?
Mit freundlichen Grüßen,
Luzian Paula, per Email
Lieber Herr Doktor,
viel Diskurs fokussiert auf die Macht der Ratingagenturen, namentlich der Drei Großen: ‘Standard & Poors’s Ratings Services’, ‘Moody’s Investors Service’ und ‘Fitch Ratings’. Weniger Debatten widmen sich der Ohnmacht der Schreibenden der Deutschen Sprache gegenüber.
Formal bringt Sprache die Fähigkeiten der Sprechenden ans Licht, semantisch drückt es Machtverhältnisse aus. Wird von einer Herabstufung geschrieben, kommt darin die Verringerung des Verhältnis’ zugusten und aus Sicht der Betrachtenden zum Ausdruck. Die Bank, das Unternehmen sinkt zu “uns” herab. (Aus deren Sicht wäre der Abstieg ja ein Hinuntersteigen, ein Hinuntergestuftwerden.) Sprachtechisch folgen Herabstufen und Hinabstufen den Präpositionen „hin“ (soviel wie von mir zu einem anderen Ort) und „her“ (von einem anderen Ort zu mir).
Die Ratingagenturen selbst verwenden indes anderes Vokabular. Dort wird richtungsneutral von “upgrading” und “downgrading” gesprochen, und vom “raising” und “lowering” der “ratings”, dem Heben und Senken der Bewertungen.
Jenseits von Hin und Her: Woher kommt das “ab” in unserem Beispiel? Zugrunde liegt diesem ein germanisch erschlossenens *aba, das sich aus althochdeutsch ana, mittelhochdeutsch ab, abe, altenglisch, englisch of, off rekonstruieren läßt. Außergermanische Verwandte sind altindisch ápa (weg, fort, ab), altgriechisch apó (fern, weg, fern von), lateinisch ab, sodass auf eine indoeuropäische Wurzel *apo (ab, weg) geschlossen wird. Das Wienerische kennt die Adverbien “owa” (eigentlich: abher) und “owe” (abhin). In Rotlichtkrisen spräche man bei Bewertungssenkung wohl vom “Panieren”. Upgradings kennt die Wienersprache keine.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina