Advent

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 12.12.2015.

Es geht um die Werte, heißt es. Um unsere Werte, wird präzisiert. Und darum, das wird nicht dazugesagt, dass diese, unsere Werte die gültigen seien. Das Absolutum. In der Ahnung, dass dies nicht der Fall sein könnte, sind die Werteversteher verunsichert und befürchten Kursverluste an der Börse der Werte. Die Werte sind aber oft nur Worte. Weshalb viel geredet wird und noch mehr geschrien.

Die Werte, auch das wird in den Wertedebatten mehr verschleiert als enthüllt, definieren sich in der Regel durch die Werte der Anderen. Und wachsen mit der Ablehnung, die die eigenen Werte durch diese Anderen erfahren. Mit Leuten, die Unsereins den Kopf abhacken (weil darin unkeusch gedacht, weil damit gottlos gesprochen wird), mit Testosteronjunkies, die Frauen in Ganzkörperkutten stecken, will man nichts zu tun haben. Bei der Ablehung von Männerbartwuchs, galoppierender Turnschuh-Gefallsucht und dem handygestützten Abusus von Twitter und Facebook tut sich der Westen schon schwerer. Sind doch die Werte nicht polar verteilt. Es gibt Äquatorialgebiete des Gemeinsamen. Öl. Geld. Waffen. Sex. Daesh ist unser Evil Twin. Wir hängen alle im selben Netz. Darüber wurde schon ausgiebig nachgedacht. Nur noch nicht von allen.

Zurück zu den Werten. Man müsse den Ankommenden unsere Werte vermitteln. Aber kommen sie nicht wegen unserer Werte? Wegen Demokratie, Pluralismus und einem Job im Supermarkt? Die westlichen Werte, heißt es dann. Ostern, Glühwein, Weihnachten. Aber ja doch. Der Glühwein wurde im Kaukasus erfunden, Ostern ist ein orientalisches Frühlingsfest und Weihnachten handelt von der Geburt eines Flüchtlingskindes, dessen Eltern sich registrieren lassen müssen. Advent heisst die Zeit der Besinnung auf dieses Wertefestival, wörtlich: Das Ankommen. Besucht werden die Ankommenden in ihrer illegalen Unterkunft von persischen Verschwörungstheoretikern. In höchster Gefahr, von Staat schlecht behandelt zu werden, flieht die kleine Familie (älterer Handwerker ohne Papiere, unverheiratete Minderjährige aus Clanverhältnissen) mit einem (gestohlenen) Esel ins Ausland (Ägypten). Advent, eine Geschichte westlicher Werte.

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