Fernsehen

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 5.12.2015.

Fernsehen ist tot, sagt die Generation Handydaumen. Das stimmt nicht ganz, sagt die Generation Umschaltknopf, es ist nicht tot, es sieht nur so aus. Und das ist gut so. Das Fernsehen, wie es am Schirm erscheint, das Fernsehen, das durch den Äther strahlt, das Fernsehen, das durch die Kabel schleicht. Es ist dröge, altbacken, ausgezehrt, es langweilt uns mit Neuigkeiten, die wir schon kennen, mit Sportereignissen, die niemand interessieren, mit Serien, die einschläfern und mit Talkshows voller Deppen. Die Fernsehmacher wissen das. Die Werbebranche weiß das. Alle Schuldigen wissen das. Was sie nicht wissen: Auch das Publikum ist im Bilde. Fernsehen ist ein lebender Leichnam. Eine Konservenfabrik, die sich selbst konserviert hat.

Diesen Prozess der Selbstversteinerung haben schon andere Medien erfolgreich absolviert. Die Oper etwa. Sie verharrt in einem Stadium der schleppenden Verwesung, geriert sich dabei, als gäbe es den Monarchen noch – zu dessen alleiniger Abenderbauung Sangeskräftige in Plüschkostümen durch bemalte Kulissen stapfen und anonyme Instrumentalisten in schlecht beleuchten Theatergräben altes Notenwerk abfideln. Man kann das unter den romantischen Aspekten ewiglebenden Vergangenen bejubeln und sich dem in Treue und Verklärung hingegeben. Es gibt ein Publikum dafür. Der Staat schießt Gelder zu und nennt es Kultur.

Das sollte man auch dem Fernsehen gestatten. Sich selbst als Retrospektion zu verstehen. Den Blick nicht nach vorne zu werfen, sondern nach hinten. Nachrichten von gestern zu verbreiten. Stoffe aus der hohen Zeit des Pantoffelkinos zu perpetuieren, in Farbe und Gestus, ja in der Wahl der technischen Mittel nicht die Zukunft zu befragen, sondern die Vergangenheit. Die will gepflegt werden und nicht die Gegenwart. Der Fundus jemals Gesendeten reicht aus für die nächsten 500 Jahre. Der Kanon und die Seitenregale mit den Seltsamkeiten will weiter erzählt werden.

Der Aufruf dazu ist so deutlich wie simpel: “Wiederhole Dich täglich, Fernsehen, aber verschone uns mit Neuem!”

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