Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 50/2015 zum 9.12.2015
Liebe Frau Andrea,
umgangssprachlich werden in Oberösterreich Mädchen und Frauen als „Menscha“ bezeichnet. Nun stellt sich für mich die Frage: Muss man Frauen erst den Status des Menschen zugestehen? Oder kommt der Ausdruck aus einer anderen, unbedenklicheren Quelle?
Mit Grüßen,
Britta Schmiedjörg, Ottakring, per Email
Liebe Britta,
der Gebrauch der Begriffe ‘das Men(t)sch’ und dessen Mehrzahl, ‘die Men(t)scher’ sind nicht auf das Land ob der Enns beschränkt, wenngleich sich die Bezeichnung dort länger gehalten hat, als in in den anderen österreichischen Bundesländern. In der Blütezeit seiner Verwendung war ‘das Mensch’ für die unverheiratete Frau, das erwachsene ledige Mädchen, im Gegensatz zur ledigen ‘Mannsperson’, des ‘Bueben’ ohne jegliche verächtliche Nebenbedeutung in weiten Teilen des Elsässischen, Fränkischen, Mitteldeutschen, Schlesischen, Hessisch und Bairischen verbreitet. Die Wortgeschichte ‘des Mensch’ beginnt im 8. Jahrundert mit dem althochdeutschen ‘mennisco’ (Mensch). Im Mittelhochdeutschen bezeichnete das/der ‘mensche’, ‘mensch’ den Menschen, das Mädchen, die Buhlerin, die Magd, den Knecht, ja gemeinhin ‘das menschliche Geschlecht’. Das im Mittelhochdeutschen auftretende Neutrum steht bis ins 17. Jahrhundert ohne abschätzigen Sinn neben dem Maskulinum, bezeichnet jedoch seit dem 15. Jahrundert häufig eine dienende, meist weibliche Person, besonders die Magd, und wird erst seit dem 18. Jahrundert durchgehend abwertend gebraucht. Das Wienerische kennt noch Differenzierungen der ‘Menscher’ oder ‘Mendscha’/’Mentscha’, so ‚das Mentschal‘, das kleine Mädchen, ‚das Lausmentsch‘, ein Pendent zum Lausbuben, ‚das Rotzmentsch‘, jenes zum Rotzbuben. Der Schürzenjäger hieß in Wien ‘Mentscherer’. Ob wir diese Befundlage als bedenklich einstufen, bleibt eine Frage des feministischen Standpunkts. Der pejorative Gebrauch des Begriffs ‘Mentsch’ widerspiegelt die Machtverhältnisse und Sozialstrukturen der jeweiligen geschichtlichen Epoche. Dass ausgerechnet Oberösterreich ‘die Mentscha‘ sprachlich konserviert, liegt mehr an der dort gepflogenen Dialektkultur, denn an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Wiewohl die momentane Zusammensetzung der oberösterreichischen Landesregierung, sie ist völlig “mentscherfrei” Anlass zu berechtigte Zweifeln an der feministischen Reife des Landes geben kann.
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