Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28.11.2015.
Der Nebel hat schlechte Karten. Sein Ruf ist übel, man spricht schlecht über ihn. Fucking fog! Nebbia maledetta! Dichter, auch ihr Ruf könnte momentan besser sein, hängen an ihm, und die Macher düsterer Streifen. Der Verbrecher verbirgt sich im Nebel, das Unheimliche wächst in ihm, das Grauen sowieso. Umrisse degradiert der Nebel zu Schemen, Strukturen zu Schatten. Dem Licht nimmt er jede Richtung, oben und unten macht er gleich. Das Nahe speit er aus, das Ferne verschluckt er. Auf der Autobahn bringt der Nebel Tod und Unheil, Skipisten bringt er zum Erliegen und den Städten raubt er jede Kontur.
Das Theater indes liebt den Nebel, weiß ihn aber nur unzureichend darzustellen, mit beissendem, wenn es gelingt, süssem Rauch. Nicht unwichtige Branchen der Lärmzunft, der Balladenrock und der Esoterikschlagergesang, schwören auf den Nebel aus der Trockeneismaschine, ihre Protagonisten stapfen blau beleuchtet durch wabernde Bühnenschwaden, sie singen von Einsamkeit, Liebesschmerz und Friedhöfen. Auch die Politikberichterstattung kommt ohne den Nebel und seine metaphorischen Qualitäten kaum über die Runden. Was wurde in der Geschichte der Öffentlichtkeit nicht alles vernebelt, was darob nicht alles von Enthüllern und Aufdeckern dem Brodem des Arkanen entrissen! Und wo kein Dunst war, erfand man welchen.
Zeit, den Nebel zu würdigen und ihm ein Podest einzurichten. Klarheit ist Trug, Sichtbarkeit Provokation! Nur im Undeutlichen werden Beziehungen erkennbar, gewinnen Nähe und Entfernung Qualität. Der Nebel entschleunigt, entfärbt, dämpft. Mag dem in Zeiten hochgebürsteter Buntheit keine Konjunktur versprochen werden, so erreicht es uns dennoch. Der Nebel ist der kühle Bruder des Dampfes. Da war doch was. Da war James Watt, die industrielle Revolution, Mobilität, Maschinen, Möglichkeiten.
Der Nebel ist ein guter Gesell. Ein Freund in lauter Not. Ein Entführer aus Liebe. Er beschäftigt uns, indem er uns entschäftigt. Hoch der Nebel, der König des Prokrastinats!