Für meine Kolumne FRAGEN SIE FRAU ANDREA in Falter 48/2015 zum 25.11.2015
Liebe Frau Andrea,
unlängst las mein deutscher Freund im Standard über unseren Außenminister, dass es “ihn einmal aufstreuen” müsse, um ihn besser bewerten zu können. Ich geriet in ziemliche Erklärungsnot, woher diese Redewendung kommt, denn wenn aufgestreut wird, kann man doch nicht mehr fallen? Wissen Sie mehr?
Mit freundlichen Grüßen,
Maria Hirsch, per Email
P.S.: Gerade bei Klaus Nüchtern gelesen: “Plauze” und “College-Milf” – was soll denn das sein?
Liebe Maria,
wer auf Eis oder auf glatter Oberfläche stürzt, den oder die “schdrads auf”, streut es auf. Ganz egal, ob die Zuständigen gschdrahd hom, gestreut haben und powidl (egal) womit: Mit Oschn (Asche), Sond (Sand) Sogschatn (Sägespäne) oder Schblit (Splitt). Um das eine vom anderen besser zu unterscheiden, vermeidet das Wienerische beim Streuen das Präfix “auf”. Selten schdrad wer auf, öfter schrads wen auf. Zumindest auf Wiener Gehsteigen. Wir können auch zu anderen Vokabeln greifen, um in Wien einen Sturz zu verbalisieren. Aufghaud, aufbrackt, aufgschdöd und aufgschdrad können synonym verwendet werden, sie unterscheiden sich nur in kleinen metaphorische Nuancen. Das Wienerische bietet aber noch mehr Möglichkeiten, den Sturz zu bezeichnen. Man kann einen Stern reißen, oder eine Bredsn (eine Brezel). Auch hier kann der wörtliche Sinn vorliegen, also der physischen Sturz gemeint sein, wie der metaphorische, der politische oder gesellschaftliche Fall. Die erwähnten Bilder erlauben das Aufstehen danach. Wollte man den Absturz benennen, von dem es keine Wiederkehr gibt, griffe man im Wienerischen zu anderer Formel: Es hod eam oweghaud, es hat ihn runtergehaut, oder es hod eam gschossn, es hat ihn geschossen. Owehaun und schiassn bezeichnen auch den Verrat und die Trennung unter Freunden oder Liebenden. Wir kommen zur Milf, der „Mother I’d Like (to) Fuck“. Die US-College-Milf erklärt sich damit von selbst, und auch die Gilf, die “Grandmother I’d Like to Fuck”. Der Ilfe sind kaum Grenzen gesetzt. Fehlt noch die Plauze – selten am Dilf zu sehen, dem “Dad I’d Like (to) Fuck”. Das Wort kommt vom sorbischen pluco, płuco, puca, soviel wie Bauch, Lunge, und entspricht der Wienerischen Wåmpm (der Wampe).
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