Herbst

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 24.10.2015.

Mit dem Herbst ist es so eine Sache. Er steht im Schatten prominenterer Jahreszeiten. Der Winter verzaubert mit Schneerennen und Schiflügen, und mit dem Geschenkefest zu Ehren von Ochs und Esel. Das Frühjahr macht sich mit Liebesdingen beliebt, mit dem Osternager und der Milde von Düften und Lüften. Der Sommer schenkt uns Ferien und Licht. Weltmeisterschaften, Olympische Spiele, Stadionrock.

Was kann der Herbst? Er deckt uns mit Wahlen und mit Arbeit ein, hustet uns ins Gesicht, nässt und nebelt, und kärchert uns die Gegend voll. Die kalten Schauer der Depression nennen wir Herbstverstimmung, das knöcherne Siechen im Alter den Herbst des Lebens. Dem Resultat dieser Vorgänge, der Toten und Untoten, wird zu Allerheiligen gedacht, der Nation nur kurz davor. Als läge sie darnieder, herbstkrank und temperaturmarod, vom Wind zerzaust und der Früchte beraubt. Abgeerntet, kahlgemäht, zu Ende gelesen. Wem drohte je die Winterverstimmung? Mit welcher Seelenqual ginge eine Sommerdepression einher? Fürchtet irgendwer die Frühjahrelegie? Sprechen wir vom Winter des Lebens? Springen Kinder und junge Hunde durch dessen Frühjahr? Nein. Immer geht es gegen den Herbst.
Dabei ist der Herbst eine gute Zeit. Eine wunderbare Zeit. Die Zeit der Ernte und des Dankes. Fassen wir zusammen: Die Sonne wandert wieder zu vernüftigen Zeiten über das Firmament (zu tropischen nämlich) und die Temperaturen erlauben das Tragen respektabler Mode. Fliegen und Gelsen haben ihr lästiges Geschäft beendet, Kaschemmen und Spelunken rufen zu kommunikatorischer Muße, das Bett wird vom Straflager zur Erholungsstatt.

Wer das saftige Grün sommerlicher Wälder und Wiesen preist, hat noch nie einen Indian Summer erlebt, wer das Juliblau eines Postkartenhimmels lobt, hat noch kein herbstliches Wolkenglühen gesehen. Gegen die klare Luft eines Spätoktobersonnentags kommt kein Mailüfterl an und keine abendliche Sommerbrise. Der Herbst, auch wenn die Nebel hoch hängen und der Hausbrand tief, ist eine schöne Zeit.

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