Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 3.10.2015.
Ein fundamentales Missverständnis führt zu dem trügerischen Befund, Wahlen in Österreich wären Ausdruck einer Willenskundgebung, die in die Zukunft gerichtet ist.
Ein Irrtum.
Wer in Österreich wählt, gibt niemals den Auftrag, das Kommende zu gestalten. Jede Wahl in Schnitzelland und jede abgegebene Stimme darin, (ja sogar jede nichtabgegebene), ist Ausdruck einer Rückwärtsgewandtheit. Österreich schreitet rückwärts in die Zukunft.
Naturgemäß stolpert es dabei, stösst an, geht in die Irre. In einem Amalgam aus Intuition und Berechnung tragen dem die Leitartikler und Meinungsführer Rechnung. Alle. Sie arbeiten, auch wenn sie anderes behaupten, stets der Vergangenheit in die Hände, (niemals der Zukunft, noch seltener der Gegenwart), stellen diese dar, rühren darin um, panschen sie zusammen. Auch die Parteien und ihre Strategen gehen nichtsehenden Auges durch die Zeit. Wenn sie denn überhaupt Strategen beschäftigen und nicht bloß Verwalter gescheiterter Konzepte. Davon ahnt das Volk etwas, manchmal alles, zieht aber die falschen Schlüsse. Es wählt, das hat Tradition, Machthabende ab, bestraft die Erfolglosen, dezimiert die Moderaten. Wahlsieger werden jene, deren Erfolg den Abgestraften den größten Schmerz zufügt.
Die Gründe für diese sadomasochistische Mechanik liegen tief in der österreichischen Vergangenheit. Stecken wie ein Kloß im Urschlund katholischen Absolutismus’. Das Land, das keine einzige Revolution erfolgreich gestemmt hat, außer die Gegenreformation, ergibt sich sprachloser Wut und selbstmitleidiger Opferpermanenz. Wem verwehrt ist, eine Stimme zu haben, weil das Land zwar die Veröffentlichung kennt, nicht aber die Öffentlichkeit, der spricht mit dem Wahlzettel.
Gibt Stimme. Gibt Stimmen.
Diese Stimmen sind Anklage, Urteil und Strafe zugleich. Strafe Strache muss sein. Zum Leitgedanken wird der tragische Witz: Geschieht dem Vater ganz recht, dass ich an den Fingern friere, was hat er mir keine Handschuhe gekauft.