Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 28/2015.
Liebe Frau Andrea,
ich habe neulich den ersten afroaustriatischen Bim-Fahrer gesichtet. Oder heißt es austroafrikanisch? Die Freude angesichts dieses neuen, lenkenden Mitarbeiters der Wiener Linien war groß. Ebenso aber meine Ratlosigkeit, was denn nun die korrekte “phänomenologische“ Bezeichnung wäre. In den USA spricht man von “african americans” – aber wie denn nun bitte auf Österreichisch?
Herzlich,
Thomas Nárosy, per Email
Lieber Thomas,
zunächst zu den technischen Details ihre Ratsuche. Bim-Fahrer lenken ihre Fahrzeuge nicht, da Straßenbahnen keine Lenkung haben. Sie fahren auf Schienen. Die korrekte (und offizielle) Bezeichnung des Triebwagenführers lautet StraßenbahnfahrerIn. Nun zum Kernanliegen Ihrer Anfrage, Ihrer Unschlüssigkeit in Bezeichnungsfragen. Ohne zu tief in das weite Feld politisch korrekten Handelns einzulaufen, will ich ein paar Gegenfragen stellen. Ich war neulich in Peking und habe dort den ersten flavosinen Busfahrer gesichtet. Oder heißt es sinoflav? Meine Freude angesichts dieses neuen, lenkenden Mitarbeiters der Pekinger Verkehrsbetriebe war groß. Aber ging es um Freude? Oder fiel mir nur das blonde Haar des Fahrers auf? Und warum fiel es mir überhaupt auf? Weil Chinesen in der Regel schwarzes Haar haben? Wer aber stellt diese Regel auf? Hätte ich Notiz genommen, wenn der Fahrer Mahlers Zweite liebte? Wäre mir aufgefallen, wenn der Mann Linkshänder wäre? Vegetarier? Cinematophiler? Teetrinker? Kaum. Ich habe in meinem fiktiven Beispiel einen Menschen im öffentlichen Raum auf sichtbare körperliche Merkmale reduziert. Nicht gut. Die US-amerikanische Üblichkeit, die Bevölkerung in “Rassen” einzuteilen und diese meist willkürlichen Zuordnungen in Dokumenten zu manifestieren, hat Wellen der Relativierung geschlagen, die auch bei uns als political correctness anbranden. Überschiessende Zustimmung bricht sich in Ethnophilie, Angst und Borniertheit ergießen sich in Fremdenhass und Rassismus. Als Österreicherin mit migrantischem Hintergrund bin ich Betroffene wie Betreffende. Die Zuschreibungen sind immer subjektiv. In Amerika hielt man mich schon für eine Inderin, in Russland für eine Kasachin, in Oberösterreich für eine Deutsche, in Ägypten für eine Russin. Es ist kompliziert.
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