Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27.6.2015.
Ende Februar 1962 hält ein gebürtiger Ukrainer, Sohn eines Rabbis aus Odessa, eine bemerkenswerte Rede. Auf einer Konferenz der American Educational Research Association, abgehalten in der Kongress- und Casinometropole Atlantic City spricht Abraham Kaplan vor Bildungswissenschaftlern – auf dem Bankett des dreitägigen Meetings. Kaplan, längst Amerikaner und Professor der Philosophie an der University of California, Los Angeles, spricht Klartext. Er ermahnt seine Kollegen aus der Wissenschaft zu klügerer Auswahl ihrer Forschungs-Methoden. Die Tatsache, dass bestimmte Methoden sich als praktisch erwiesen hätten, oder jemand auf eine Methode eingeschworen sei, biete keine Sicherheit dafür, dass diese ein brauchbares Werkzeug für die Lösung alle Probleme sei. Kaplan fasst seine Überlegungen in einem Aphorismus zusammen, der als “Kaplan’s Law of the Instrument” bekannt werden sollte: “Gib einem Jungen einen Hammer”, meint der Professor launig,”und alles was ihm begegnet, muss eingeschlagen werden.”
Das talmudische Statement findet nicht zufällig in einer Stadt am Ozean statt – vorgetragen von einem Migranten aus legendärer Hafenstadt. Dürfen wir doch Menschen aus marinen Handelszentren die Fähigkeit zusprechen, weitere Gebiete als den eigenen Tellerrand zu überblicken. Mit den Schiffen kamen seit jeher nicht nur unbekannte Waren und fremde Seeleute in die Häfen, sondern auch neue Ideen und überraschende Sichtweisen.
Das wirtschaftliche Handeln unserer Tage darf im Lichte dieser Überlegungen als zutiefst binnenländisch taxiert werden. Kritiker sprechen den Wirtschaftstheoretikern und ihrer praktischen Einflusssphäre – die Staatskanzleien, Finanzministerien und Analystenbüros des Westens – längst jede seriöse Wissenschaftlichkeit ab. Die Disziplin trägt die Züge eines abgeschlossenen quasitheologischen Systems. Wallstreet, Londoner City und Bankfurt sind Heilsorte neoliberalen Talibanismus. Das Werkzeug, mit dem die Probleme dieser Welt bearbeitet wird ist bekannt. Es ist der Hammer. Kein Wunder, dass die Welt der ökonomischen Theologie vor allem eines ist: Vernagelt.
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27.6.2015.