Der neue Malkasten

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Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 6.6.2015.
Der neue Malkasten ist der alte Malkasten. Die Farben, in denen Österreich sich selber abbildet, sind die alten Farben. Farben der Angst. Wer keine Angst hat, dem muss Angst gemacht werden. Längst wissen wir: In Zeiten realer Bedrohungen gelingt das noch viel besser. Ist doch alles sehr kompliziert. Fred Sinowatz hat das gesagt. Sagt man und irrt dabei. Gesagt hat Sinowatz, dass alles sehr kompliziert klinge. Klinge. Nicht sei. Aus diesem semantischen Spalt sprang einst nicht nur der Vergessenskünstler Waldheim, sondern auch der Schulterturner Haider. Der Jörgbeiuns hob an, in einer amtierenden rotblauen Koalition das Angstruder zu übernehmen, um das Deck mit einfachen Antworten und neuen Kommandos zu beschallen. 1986, im Sonnenaufgangsjahr des Doktorhaider hat das Spiel mit der Angst neue Fahrt aufgenommen. Der Historiker und Freimaurer Sinowatz wurde vom Banker und Basketballer Vranitzky abgelöst. Der Blut- und Bodenturner Haider war die Frage – der Olympionike aus der Vorstandsetage war die Antwort. Die Angst blieb. Zorn hielt man bald für Tugend, Wut für Stärke. In beiden Disziplinen hat Haider viele Staatsmeisterschaften errungen. Strache, im Amt des Neuen längst gealtert, ist nur Fußstapfengänger in dieser Spur. Kanzler Bumsti sei unvermeidbar, befürchten die Ängstlichen. Kanzler Bumsti sei unvermeidbar, drohen die Angstmacher. Einen Kanzler Bumsti wollen indes weder seine Freunde noch seine Gegner. Lassen sich mit der Angst doch weit bessere Geschäfte machen.
Wie sähe es ohne Angst aus im Lande? In einer Nation ohne Angst gäbe es keine Ressentiments gegen Flüchtlinge. In einer Erwerbswelt ohne Arbeitsplatzverlust gäbe es keine Angst davor. In einem angstlosen Land gäbe es Perspektiven ohne Gruppe, Zukunft ohne Werkstätte, Reformen ohne Verlierer. Klingt alles sehr kompliziert, hätte Fred Sinowatz gesagt. Tatsächlich liegen die Dinge ja einfach. In einer Welt ohne Angst gäbe es viele Farben, glückliche Minderheiten und bescheidene Mehrheiten. Dieser Malkasten indes wäre wirklich neu.
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 6.6.2015.

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