Otto, schenk den Tee!

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 20/2015.

Liebe Frau Andrea,
neulich sassen wir zusammen, tranken Tee und eine von uns schwärmte von der Schenk-Mixtur, auf die ihre Großmutter einst schwörte. Wir konnte nicht herausfinden, was damit gemeint sein könnte. Wissen Sie mehr?
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel König, per Email

Liebe Bärbel,

mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der erwähnten Mixtur um eine Teemischung, die sich der Schauspieler, Opernregisseur, und Anekdotenproduzent Otto Schenk in der Wiener Traditions-Teehandlung Schönbichler mischen lässt. Die Mixtur ist auch dem Publikum zugänglich und firmiert auf der Schönbichler-Teekarte als Otto-Schenk-Mischung. Der Mime ist ein langjähriger Kunde und Verehrer des Geschäfts und lässt sich seinen Spezialtee regelmässig von der Haushälterin besorgen. Er sei ein sehr großer Gegner von Ritualen, Jubiläen, Festen, gibt Otto Schenk dialektisch bekannt, also trinke er, wie jeden andern Tag, seinen Earl Grey, die „Schenkmischung“ vom Schönbichler. Kein Zucker, keine Milch. Alles, was man dazugebe, ermorde den Tee. Hier halten wir inne, um uns in die Rezeptur der Otto-Schenk-Mischung zu vertiefen. Die “originelle Mischung”, so die Fa. Schönbichler lapidar, bestehe aus Earl-Grey-Tee, Jasmintee und etwas Rauchtee. Ein genaues Mischungsverhältnis wird nicht bekanntgegeben. In der Schenk-Literatur zirkuliert auch ein anderes Rezept: Souchong, Earl-Grey und “etwas” Jasmintee. Forschungen sind im Gange und werden bessere Ergebnisse liefern. Alle drei erwähnten Tees verstehen sich ihrerseits als Spezialitäten. Rauchtee oder Lapsang Souchong ist kräftiger, großblättriger chinesischer Schwarztee, der im Rauch schwelender Kiefernwurzeln, wahlweise auch über brennendem, harzreichem Fichtenholz geräuchert, in einer Pfanne geröstet, gerollt und oxidiert wird, bevor er nochmals in Bambuskörben über Kiefern- oder Fichtenholz fertiggeräuchert wird. Earl-Grey-Tea, benannt nach einem britischen Aristokraten, ist ebenfalls Schwarztee aus China, aromatisiert mit dem ätherischen Öl der Bergamotte, einer raren Zitrusfrucht. Das dritte Schenk-Ingrediens schliesslich ist Grüntee (oder halbfermentierter Tee) in den, je nach Verfahren, durch Vermischung mit den Blüten oder Bedampfung über einem Blütenbad das Aroma der Jasminblüten eingebracht wurde. Man versteht den grossen Rauner Schenk. Jede weitere Geschmacks-Zutat geriete zum Overkill.

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