Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 9.5.2015.
In diesen Tagen ging ein handwerklicher Ruck durchs Österreich. Landauf, landab, stadtein, stadtaus haben kleine Menschen viel Muße und Klebstoff dazu verwandt, ihren Müttern schöne Sachen zu basteln. Mit Hilfe vorschulischer Experten, gestaltungsmutiger Väter und satriebegabter Großmütter haben sie Sperrholz in Schlüsselbretter verwandelt, Bast in Girlanden und Wolle zu bunten Topflappen verhäkelt. Schuhkartons wurden bemalt, Kluppen arangiert und viel Papier in herzförmige Form gebracht. Der Muttertag ist ein großer Tag im Leben kleiner österreichischer Menschen. Ein Tag der Gaben, eine klein wenig wie Weihnachten, ein bisschen wie der Valentinstag, aber insgesamt sentimentaler und reicher an Gedichten. Mütter sind gerührt und betroffen zugleich, gilt es doch, Geschenke ohne Nutzen in gebührender Form zu würdigen, echte und gespielte Tränen zu vergiessen und insgesamt dafür zu sorgen, dass die Festlichkeiten nicht ausarten. Müttertage sind Tage der Mühe.
Von zentraler, weil sinnstiftender Bedeutung für das Gelingen eines Muttertags ist das Hervorrufen von Rührung. Rührung ist die Schleuder, die die Beteiligten jedes Jahr aufs Neue in dieses Fest wirft. In einer Welt maschineller Produkte ist Handwerk geeignet, solche Rührung hervorzurufen. Kindliches Handwerk, roh und unverfälscht. Ein ganzes Land hat Erlebnisse auf diesem Gebiet gesammelt. Die Berufsstände der Kindergärtnernden und bildnerisch Erziehenden verwandeln ihre Expertise auf dem Gebiet gestalterischen Dilettierens in Anleitungen zum Selbermachen. Selbergemacht aber heißt: billig gemacht. Kenntnisse, die später im österreichischen Leben im Rahmen von Pfusch und Nachbarschaftshilfe bleibende Werte schöpfen werden.
Der Muttertag offenbart die Tiefe des österreichischen Dilemmas. Kunst ist stets weniger Wert als Kitsch. Wo andere recyclen, also Unbrauchbares zu Brauchbarem verwandeln, gefallen sich die Österreicher als Bastler. Als Proponenten jener Fertigkeit, Unbrauchbares in anderwertig Unbrauchbares zu verwandeln. Hoch die Mutti! Hoch die Bastelkunst!
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 9.5.2015.