Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 21.3.2015.
Der März gilt nach westlichem Kulturverständnis als das Ende des Winters. Kalendarisch betrachtet begann gerade eben, am 20. dieses Monats, der Frühling. Aus kalten Krumen spriesst erstes Grün, da und dort leuchtet es veilchenblau, krokusfarben und primelig. Eilfertig aufgestellte Schanigärten locken in die Sonne. Die Tage sind jetzt schon so lang wie die Nächte. Es wird heller, wärmer, die Sinne erwachen, die Gerüche kommen zurück.
Gemach. Die Idylle ist trügerisch. Der März ist nur scheinbar ein guter Gesell. Seinen Namen hat er von Mars. Der römische Kriegsgott ist zwar auch alte Vegetationsinstanz aber hauptberuflich für den Angriffskrieg zuständig. Als Vater der Gründungszwillinge Romulus und Remus ist er zudem Ahnherr der Römer und zentrale Zivilisationsinstanz des Abendlandes. März ist seit jeher Kriegsbeginn. Der Frühlingsbote kündet also nicht nur vom Erwachen der Natur sondern auch vom Erwachen des Kampfes. Der Geruch grünender Felder und Haine mischte sich seit jeher mit dem eisenrünstigen Blut geopferter Tiere und dem Verwesungsgeruch gefallener Helden und erschlagener Feinde.
Daran sollten wir denken, wenn wir die Frühjahrsbilanzen in die Sonne tragen und uns den Phantasien des Neubeginns hingeben. März ist und war immer auch Elend und Verwüstung. Ein alter Begleiter, ja Kündbote des Kampfes ist das Opfer. Auf dem Marsfeld, dem Märzacker wurde die Armee versammelt und kultisch gereinigt. Schwein, Stier und Widder wurden um die Soldaten getrieben, damit dem Mars geweiht und sodann auf seinem Altar geschlachtet. Daran knüpft sich die magische Vorstellung, dass bereits geflossenes Blut neue Wunden verhindern kann. Die Protagonisten der europäischen Austeritätspolitik mögen unbeleckt sein von der Kenntnis antiker Kulthandlungen, in der normativen Kraft ihres Handelns offenbaren sie indes die Erinnerung an die Heiligen Handlungen des Krieges. Wie sieht das Märzopfer der Nachmoderne aus? So roh, wie einst. Wenn Griechenland blutet, so der Zauber, wird es uns nicht widerfahren. Mutti nickt und schäubelt das Blut in den Acker.