Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 7.2.2015.
Der Opernball ist die Antwort in jenem Kurzdiskurs, zu dem Österreich die Frage ist. Wer das Land verstehen will, muß dieses Fest verstehen. Wenn dies denn ginge. Führt doch jede intensive Beschäftgung mit dem Opernball in die Labyrinthe der österreichischen Seele. An ein Entkommen aus ihnen, an Kartographierung oder Enträtselung derselben ist nicht zu denken. Die Hochglanzveranstaltung ist an das katholische Kalendarium gebunden, sie findet üblicherweise am letzten Donnerstag vor dem Aschermittwoch statt. Entgegen landläufiger Mythologisierung ist der Opernball keine urwienerische Erfindung und noch weniger eine von aristokratischer Eleganz. Sein gerne verschwiegenes Vorbild waren die berüchtgten Pariser Opernbälle. Der Kaiser, in dessen Singspielhaus der Abend am 11. Dezember 1877 erstmals gegeben wurde, war nicht amüsiert und verbat aus Angst vor Pariser Tumultzuständen das Tanzen. Der erste Opernball hieß daher Hofopern-Soirée. Spätere Veranstaltungen mit stärker ausgeprägtem Ballcharakter nannten sich Opernredoute. Es war eine feine, aber halbseidene Fete. Die höchsten Kreise verkehrten ohnedies auf den hocharistokratisch exklusiven Ahnenbällen in der Mehlgrube (auf dem Areal des heutigen Hotel Ambassador). Der Opernball war also ab origine ein Treffpunkt der zweiten und dritten Gesellschaft. Singendes Hofpersonal, Wirtschaftstreibende, Kleingeldsäcke und Lebedamen. Uniformiert war und ist man damenseitig mit leichter und mittelschwerer Ballrobe, falschem Nerz und einfacher Perlenkette, der Begleiter betrat und betritt nach Tunlichkeit im eigenen, in der Regel aber im Leihfrack die Feststiege. Der Staatssender ORF trägt dem Rechnung und Rache und überträgt das Tanzereignis wie ein Schirennen. Heroisiert wird der nationale Mummenschanz mit dem Hinweis auf den Mythos, dass hier (und nur hier) die grossen Geschäfte des Landes gemacht würden. Schamlos zeigt und kommentiert das staatliche Fernsehen die Ballgäste schon im Zustand des Emporkommens. Auf der Feststiege. Kein Bild könnte eine Gesellschaft schlechter Haltung, falscher Manieren, aber guter Hoffnung besser beschreiben, als jenes. Alles Walzer. Alles Österreich.
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 7.2.2015.