Wie Wintersport funktioniert

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Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 3.1.2015.
Schnee. Die Metaphernschmiede nennen ihn “das weisse Gold”. Schnee ist der einzige Bodenschatz, der vom Himmel fällt. Das Bild von der elementaren Seltenheit gewinnt an Stimmigkeit, seit das mit zunehmend schwindender Regelmässigkeit passiert. Alpine Winter, in denen es tatsächlich schneit, gehören zu den Ausnahmen. In der Regel sind die Hänge aper. Der kristalline Pistenbelag wird in Schneekanonen erzeugt und mit grossem logistischen Aufwand aufgebracht. Das weisse Gold wird nicht abgebaut, sondern in industriellem Maßstab erzeugt. Insoferne ist Schnee ein Produkt und keine Ressource. Das wissen die Schneemanager natürlich. Die Wintersportindustriellen wissen es, die Ökonomen wissen es.
Die Konsumenten hingegen wollen Publikum sein und belogen werden. Sie wollen sich dem Phantasma hingeben, Teil einer Natur zu sein. Tatsächlich bewegen sie sich in grösster Künstlichkeit. Alles ist künstlich am Schifahren. Die Topographie, der Schnee, das Gerät, die Bewegungen. Und seit Anbeginn geht es nicht nur um das Gelingen. Schifahren ist die Transformation lebensfeindlicher Umstände und körperlichen Scheiterns in sportlichen Lustgewinn. Die permanente Gefahr des Stürzens, ja die Permanenz des Verunglückens wird Teil eines Glücksprojekts. Heroisiert wird deshalb nicht das Gelingen der Schwünge und Fahrten, sondern deren Misslingen. Durch keine sportliche Leistung konnte der Landesheld Hermann Maier größeren Ruhm erlangen, als durch seinen Jahrtausendsturz bei den Olympischen Winterspielen in Nagano 1998. Das Land der Pisten und Pokale erinnert sich an jede Hundertstelsekunde dieses Fluges. Die Auferstehung des österreichischen Christus erfolgte in der Dritten Sekunde. Er sitzet zur Rechten Raiffeisens.
Schifahren ist in allerletzter Konsequenz die Verinnerlichung höchster (und tiefster) Österreicherei. Und die ist immer auch reibende Begegnung zwischen West und Ost. Im Östlichsein, jener Kombination aus Manie und Depression, haben es die Russen zu höchster Fertigkeit gebracht. Kein grosses Wunder, dass sie lange schon als Lieblingklientel der Wintersportindustriellen gelten. Schneegeld stinkt nicht.
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 3.1.2015.

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