Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 6.12.2014.
Wer mit 20 nicht links sei, kann man immer wieder hören, habe kein Herz, wer mit 40 immer noch links sei, keinen Verstand. Für Alfred Adler, Otto Bauer und Bruno Kreisky galt der Spruch nicht. Auch für Werner Faymann, gegenwärtigem Parteiobmann der SPÖ, darf die Gültigkeit des billigen Sagers nicht in Stellung gebracht werden. Ganz sicher waren sich Faymanns Mitkämpfer für eine gerechtere Welt allerdings nicht. Dem einen oder der anderen an der Basis und in den Mühlen der Funktionärspyramide ist der Bundeskanzler gewiss eines nicht. Zu links. Faymanns pragmatischer Kuschelkurs mit dem Klassenfeind wird ihm als ideologische Grenzverletzung ausgelegt.
Zurück zu unserem Spruch. Wer hat ihn erfunden? Es liegt in der semantischen Natur des Zitats, dass damit Weltanschauungen des “links” verorteten Politspektrums diskreditiert werden sollen. Alles also zwischen marktliberaler Sozialdemokratie und Ultra-Hardcore-Stalinismus. Um ihm Authentizität zu verleihen, wird der Aphorismus stets aus der Sicht eines Geläuterten wiedergegeben. Oft sind es gesetztere Herren aus dem Feuilleton-Gewerbe, die sich mit dem Zitat immunisieren. Aber auch in der real existierenden DDR zirkulierten Varianten, nach denen “jemand, der mit 20 nicht Kommunist sei, kein Herz, und wer dies mit 30 noch immer sei, keinen Verstand habe”. Italienische Sprücheklopfer schreiben den Spruch dem antifaschistischen Philosophen Benedetto Croce (1866-1952) zu, britische, je nach Wetterlage den Premierministern David Lloyd George (1863-1945) oder Winston Churchill (1874-1965). Auch der in Zitatfragen generell gerne der Autorenschaft geziehene irisch-britische Dramatiker George Bernhard Shaw (1856-1950) wird mit dem Spruch in Verbindung gebracht.
Mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit ist aber ein Deutscher Urheber des Zweizeilers. “Wer mit 19 kein Revolutionär ist, hat kein Herz, wer mit 40 immer noch ein Revolutionär ist, hat keinen Verstand” soll von Theodor Fontane (1819-1898) stammen, dem Säulenheiligen des Poetischen Realismus und approbierten Apotheker. Freundschaft.
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 6.12.2014.