Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1.11.2014.
Die Toten sind los. Genau genommen sind die Toten natürlich weiterhin tot. Los sind die Lebenden. Aber auch das ist keine gute Nachricht. Gewandet in Moderlumpen, geschminkt wie Verwesende wanken die Untoten durch einen nur scheinbar modernen Kult: Halloween. Im traditionellen Verständnis der heimischen Feiertagskultur gilt der Allerheiligentag der Besinnung und Einkehr. Die Gräber der Lieben werden besucht, mit Blümchen und Kerzen geschmückt und mit der einen oder anderen Träne getränkt. Es ist kalt und grau und genau das ist auch der Grund für den Grabbesuch. Noch vor dem ersten Schnee muss Nachschau gehalten werden, ob die Toten noch in den Gräbern liegen. Die Kirche und ihre säkularen Echos haben aus dem Kontrollbesuch zum Ende der Vegetationsperiode eine depressiv gestimmte Besinnungsfeier gemacht. Mitgebrachtes wie Blümchen und Kerzen aber ist Erinnerung an ein Festmahl, das östlichere und südlichere Gesellschaften noch gut kennen. Sie pflegen bis heute das gemeinsame Essen der Lebenden mit den Toten. Das uralte Ritual geschieht nicht ohne Eigennutz. Indem den Toten Essen und Trinken mitgebracht wird, sollen diese vom Besuch im Reich der Lebenden abgehalten werden. Die Toten sollen in der Erde bleiben und dort satt weitermodern. In Zeiten vor diesen grub man die Toten tatsächlich noch einmal aus und brach ihnen die Knochen. Diese Zusammenhänge liegen nur lose unter der dicken Decke des Vergessens. Zumindest in Schnitzelland sind die lebenden Toten täglich unterwegs. Auch jenseits des anglosächsich-keltischen Kostümfest-Imports Halloween. Ideen, die sich wo anders schon in den Kräften der Zersetzung verloren haben, spuken bei uns herum, als wären sie frisch aus dem Grab gestiegen. Dieser Schein einer zombiehaft auferstandenen Ideenarmee aber trügt. Die untoten Konzepte waren nie tot. Man hat sie nur scheinbeerdigt. Wie sagt das Märchen? Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Tot indes, sind in Österreich nur die Lebenden.