Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 39/2014
Liebe Frau Andrea,
in einer lachsfarbenen Zeitung (oder deren graugrüner Internetversion) las ich in einem Essay übers Vorarlbergersein die Ausdrücke “Seebrünzler” für die Bregenzer und “Süasslarschnitz” für die Dornbirner. Die Wiener sind da nicht so, oder? Gibt es solche Insulte auch bei uns? Von Bezirk zu Bezirk quasi? Und warum heissen die Dornbirner Süasslarschnitz?
Grüssi,
Benni Sagrader, 1040 Wien, per Email
Lieber Benni,
fangen wir im Westen an, wo Ihre Fragen beginnen. Der Spottname der Nichtbregenzer für die Leute aus “Breagaz” ist angesichts des dort anbrandenden Bodensees selbsterklärend. Etwas stärker verhüllt tritt uns “Süoßlarschnitz” entgegen, der Spottname für die Anrainer von “Dorabira”. Obwohl die größte Stadt Vorarlbergs eine Birne im Wappen führt, kommt ihr Name nicht von dieser, so die Toponymologen, sondern von “Torrin Puirron“ der Ansiedlung eines alemannischen Bauern namens Torro. Dessen ungeachtet bezieht sich die Schmähung “Süoßlarschnitz” auf eine süßlich schmeckende Birnensorte, die sich vorzüglich zum Dörren eignete. Deren Birnenschnitten, die “Schnitz” waren in der Gartenstadt besonders beliebt. Nach anderer Deutung bezieht sich die Bezeichnung, ähnlich dem Süssholzraspeln, auf den süßlichen Konversationsstil der Dornbirner. Werden diese doch auch “Braschlar” genannt, Prassler, nach dem Geräusch des Regens – Quassler also.
Das Wienerische hatte und hat als Schmelztiegel weniger Bedarf an geographischen Schmähungen. Abgesehen davon, dass Provinzler von den Wienern traditionell als Großkopferte sprechen, als Scheißweana und Weana Bazi (verkürzt aus der Figur des Lumpazivagabundus). Dennoch wollen wir ein paar Spottnamen aus dem Alten Wien in Erinnerung rufen. So hieß man die Grinzinger wegen der dort erzeugten Blutwürste Blunznstricka, die Sieveringer Bochbrunza, die Nussdorfer Wossarotzn und die Oberdöblinger – wegen des dort einst grassierenden Milchschwunds – Müchmarder. Die Pötzleinsdorfer galten als Fisolenbauern, die Stammerdorfer als Erdäpfelbehm. Wegen der steinreichen Seidenfabrikanten im heutigen 7. Bezirk, galt Lerchenfeld als der Diamantengrund. Die Bezeichnungen Mazzesinsel für den zweiten Bezirk und Boboville für die gentrifizierten Teile innerhalb des Wiener Gürtels sind frischeren Datums. www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina