Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 38/2014
Liebe Frau Andrea,
bei meinem letzten Urlaub konnte ich feststellen, dass die Hennen auch auf französischen Misthaufen eindeutig die Mehrheit sind. Wo sind die Hähne? Enden sie wirklich fast alle als “coq au vin“ im Kochtopf? Oder handelt es sich auch hier mehrheitlich um “poules au vin“?
Au revoir! Josef Dollinger, 1070 Wien, per Email
Lieber Josef,
geht man von der Prämisse aus, dass jeder Misthaufen, ob in Frankreich oder in hiesigen Gefilden, von einem Hahn regiert wird, sieht es gut aus für Ihre Theorie. Es gibt mit großer Wahrscheinlichkeit mehr “coqs au vin“ in Kochtöpfen als auf Misthaufen. Wir müssen dabei aber eher an eine Rezession der Misthaufen als an eine Konjunktur der Gockel denken. Schlimmer noch, selbst in Frankreich, jenem Land, das den bunten Hühnermann als Nationaltier begreift, ist der Hahn als Speisevieh selten geworden. Die regional durchaus verschiedenen Originalrezepte sehen zwar einen einjährigen Hahn vor (der etwa 3 Kilogramm schwer sein soll) aber selbst Spitzenköche bereiten den “coq au vin”, wörtlich “Hahn in Wein” als “poule au vin”, als Huhn in Wein zu. Sind doch Hähne selbst auf gut sortierten Märkten nur mehr schwer erhältlich. Eine lukullische Notlösung stellt der fette “chapon“ (Kapaun) dar, der junge kastrierte Hahn. Das Dilemma verweist auf das Geschlechterverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Hühnervögeln. Hähne leben, wie die männlichen Exemplare vieler Tierarten, polygam. Artgerechte Haltung sieht daher mehrere Hennen für jeden Hahn vor, die dieser nach Lust und Laune treten kann – so bezeichnet die Fachwelt den Kopulationsvorgang beim Federvieh. Für den Hahn ist die Reproduktion Schwerarbeit, je nach Rasse ist das Verhältnis von Hahn zu Hennen unterschiedlich. Schwere Hühnerrassen sollten im Verhältnis 1 (Hahn) zu 7 bis 10 (Hennen) gehalten werden, bei leichten Rassen kann ein Hahn hingegen durchaus 15 Hennen betreuen. In der Phantasie eines idealen Bauernhofs kämpfen mehrere Hähne um ihre Vormachtstellung unter den Hennen. In Realitas landen die weniger starken Hähne vor, nach, meist aber statt eines Hahnenkampfs im Kochtopf. Die fehlenden Hähne der von Ihnen besuchten Misthaufen dürften also alle dem gastronomischen Kreislauf zugeführt worden sein. www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina