Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 37/2014
Liebe Frau Andrea,
an einem der vergangenen Fernsehabende bin ich auf folgende Frage gestoßen: Wie wird bei der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche entschieden, wann die beteiligten Personen sich siezen, und wann diese zum Du übergehen? Meine Versuche, diesbezüglich auf ein System zu stoßen (z.B. eine Kopplung mit der Verwendung des jeweiligen Nachnamens) scheiterten bisher kläglich.
Ich hoffe auf Ihre Hilfe.
Benjamin Mörzinger, per Email
Lieber Benjamin,
die Synchronisation von Kinofilmen und Fernsehserien (traditionell nur in Mitteleuropa und den romanischen Ländern durchgeführt) steht unter dem deutlichen Zwang ökononomischen Handelns. Mehr noch als die Produzenten der Stoffe haben die Verwerter von Filmen und Serien großes Interesse daran, ihre Kosten möglichst gering, ihren Gewinn möglichst hoch zu halten. Wir dürfen konstatieren, dass Filme und ihre künstlerische Intention (so denn eine vorliegt) unter Synchronisation eher leiden. Eine Ausnahme von dieser Regel erfuhr die britische Early-70ties-Krimiserie “Die Zwei” (Originaltitel: The Persuaders!), die nicht trotz, sondern wegen der schnoddrigen Synchronisation im Deutschsprachigen Kultstatus erlangte. Ähnliche erfolgreich waren die Ergebnisse sprachlicher Translationskunst im Fall der Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Filmen. Auf der Wasserscheide zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Komik tänzelt die Übertragung von englischen Anredeformen in das deutschsprachige Duzen und Siezen. Hier kann festgestellt werden: Je billiger die Serie, desto billiger die Synchronisation. Das Anredeproblem – im Englischen sind ja alle per Ihr (you) – ist dabei nur die Spitze eines Eisbergs sprachlicher Missverständnisse. Eine gewissenhafte Synchronsiation sollte die Originaldrehbücher, ja die Figuren-Backstories und die Entwicklung der Charaktere kennen, um im Einzelfall zu entscheiden, wie die gesellschaftlichen und hierarchischen Verhältnisse der Protagonisten zueinander liegen, wie die handelnden Personen einander ansprächen, wären sie nicht in der Bronx oder am Kapitol zu Gange, sondern in Duisburg-Hochfeld oder im Bundestag. Tatsächlich ist dieses Feld eines der ständigen Irrungen, was selbst österreichische Ohren bisweilen verstört. www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina