Gequetschten Quatsch kwetchen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 36/2014
Liebe Frau Andrea,
auf Facebook habe ich einen amerikanisch-englischen Test ausgefüllt, der ermittelt, welcher jiddische Begriff meinen Charakter am besten beschreibt. Heraus gekommen ist “kvetch”. Ein Querulant! Ich! Ist das arg? Ich solle Rechtsanwalt werden oder Journalist. Was glauben die!
Und vor allem, was glauben Sie?
David Barta, Wieden, per Gesichtsbuchdirektnachricht
Lieber Boris,
selbstverständlich habe auch ich diesen Online-Fragebogen längst ausgefüllt. Was soll ich Ihnen sagen, ich bin auch “a kvetcher”. Aber der Reihe nach. Der satrirische Multiple-Choice-Test “Which Yiddish Word Describes Your Personality?” wirbt mit dem Bild von Yetta Rosenberg. Die graublau dauergewellte Lady mit den fingerdicken 70ties-Brillen und dem glitzy Blazer (gespielt von Ann Morgan Guilbert) ist die senil-skurile, jedenfalls aber europäisch-anstrengende Großmutter von Fernseh-Nanny Fran Drescher und dem Vernehmen nach deren eigener Babe (jiddisch für Oma) nachgeraten. Das newyorkerische Verb “to kvetch” ist dem jiddischen “kwetschn” entlehnt. Als Substantiv bezeichnet es alle, die meckern, maulen oder nörgeln, langsam, ineffizient oder bürokratisch arbeiten, kleine Beschwerden aufblähen, ständig Ausreden für die eigenen Leistungen und Missfallen an denen der anderen finden. Unser Lexem kommt, obwohl vielfach behauptet, nicht von mittelhochdeutsch “quetzen, quetschen”, vom Auspressen also, wie es etwa in der Wienerischen Version der Ziehharmonika, der “Quetschen”, oder in der gleichlautenden Bezeichnung für das kleine Geschäft, den kleinen Handwerksbetrieb vorliegt, sondern von “quatschen”. Das lautmalerische Verb beschreibt “den Ton, wie er hörbar wird, wenn man mit Vehemenz in breiigen Schmutz stapft”. Einen weiteren Hinweis auf die Herkunft von “kwetch(e)n” liefert das Wort “Quatsch”, soviel wie Unsinn, Geschwätz, Gerede. Es kommt mit großer Wahrscheinlichkeit vom mittelhochdeutschen “quât”, Kot, Schmutz, Dreck, Unflat. Als Kwetcher (m.) und Kwetscherke (f.) befinden wir uns dennoch in guter Gesellschaft, berichtet doch Leo Rosten, Verfasser der Jiddischen Enzyklopädie von der Sichtung eines Buttons mit der Aufschrift: “Franz Kafka is a Kvetch.”
www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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