Fernsehen

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Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 9.8.2014.
In den späten 80erjahren des vorigen Jahrhunderts (wie das klingt!) geriet die Welt in Explosion und begann jenen Zustand anzustreben, in dem wir uns heute befinden. Die britische Premierminsterin Margaret Thatcher, eine ebenso eiserne wie frisurmutige Lady verkündete triumphierend, es gäbe keine solche Sache wie Gesellschaft. Es gäbe individuelle Männer und Frauen und dann gäbe es Familien. Hier begann das Schlamassel. Das Fernsehen drang in jede Pore unseres Daseins. Vielkanalig und lärmend. Adressiert an individuelle Männer und Frauen und was man Familien nannte. Das Fernsehen amerikanischen Schlages. Fernsehen, das sich rechnen musste. Die Quote begann über den Inhalt zu bestimmen, Qualität verlor sich in den Zufall. Bestimmend wurde die normative Kraft des Ökonomischen. Wie immer waren auch hier die Deutschen perfektionsgieriger als der Rest der Welt, sie überschwemmten den Sprachraum mit Tutti-Frutti-Titten-Shows, Brachialklamauk, Scheindebattenkränzchen und Sozialpornos. Für individuelle Männer und Frauen gab es Kochtipps von Küchenpersonen mit Hyperaktivitätsstörung. Rededuchfallpatienten bekamen eigene Sendungen. Der ORF antwortete mit einer Vertrottelungsoffensive. Versuchte sich an kauzigen Gewinnshows, betroffenheitslüsternen Reportagen, schnarchig-billigen Klamaukrevuen und deftigem Stadlhumpta. Das Nachrichtenfernsehen wurde mit dürftigem Erfolg zur CNN-Kopie hochgebürstet, die Sportberichterstattung zum Dauerblödeln verpflichtet. Wo früher Stille den Bildern Raum und Wirkung gab, wurde nun Lärm geblasen. Ausdauernder und nervenzerrüttender Hörmüll. Den öffentlich-rechtlichen Auftrag meinte man mit betulichen Familiensendungen und Hugo Portischs Nationalnabelschau zu bedienen. Und es ist schlimmer geworden. Dümmer, lauter, atemloser. Ich wünsche mir das alte Fernsehen zurück. Das Fernsehen vor Thatcherism und Reaganomics. Es muss ja nicht Rudi Carrell sein. Nicht Dalli Dalli. Nicht Peter Fichna und die Studiouhr. Nicht die Bundeshymne bei Sendeschluss. Nicht das Testbild. Aber warum eigentlich nicht?

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