Jimi Hendrix und die Frage der Karte

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 26/2014
Liebe Frau Andrea,
ich bin kein förmlicher Mensch und kenne mich in Fragen der Etikette nicht sonderlich gut aus, ich weiß nicht mal, ob Etikette hier überhaupt gilt, daher meine Frage: Brauche ich eine Visitkarte?
Danke für Ihre Bemühungen,
Georg Schwärzl, per NSA-Archivalie
Lieber Georg,
als soziale Lebewesen sind wir kommunizierende Subjekte. Ja wir kommunizieren sogar, wenn wir nicht kommunizieren. Radikale Positionen auf dem Feld des Informationsaustausches behaupten gar, wir betrieben nichts anderes denn Kommunikation. Nun gut, wie gehen wir im Detail vor? Ein hochblonder aber trinkfester Schwermetallgitarrist aus dem mir halbheimatlichen Schweden errichtete unsere Bekanntschaft auf der Übergabe seiner “business card”. Das war ein kleines Kartonstückchen von weisser Farbe, auf das er seinen Namen, seine elf Vornamen, seine zwei Spitznamen, die Namen seiner Mutter, seiner drei Bands und seiner (einen) Freundin hatte drucken lassen, dazu überbordende Adressdetails, etliche Telefonnummern und einen Sinnspruch. Auf die Rückseite schrieb er schwungvoll “Love xx” oder etwas in der Art. “You like my card?”, wollte er von mir wissen. Ich musste ihn enttäuschen. Jimi Hendrix, gab ich zu bedenken, hatte gar keine Visitkarten. Der deutsche Kaiser hatte welche, auf ihnen stand in Fraktur-Lettern gedruckt: “Wilhelm”, in der nächsten Zeile, etwas kleiner: “Deutscher Kaiser u. König von Preussen.” Weniger wäre auch hier mehr gewesen. Drängt heute gemeinhin der Staubsaugervertreter, Bankfilialknecht und der Regalbetreuer vom Baumarkt Krethi und Plethi eine (meist originelle) Visitkarte auf, diente das kleine Kärtchen früher Standespersonen als Botschaft. Bei unbestellten Hausbesuchen legte man die Visitenkarte (daher der Begriff) auf ein Sibertablett. Der Empfangs-Diener brachte die Karte nach oben, wo der Empfänger entscheiden konnte, ob er oder sie unpässlich war oder einen Besuch gestattete. Adressen wurden nicht übermittelt. Der Name genügte. Die Eleganz dieser Vorgänge war indes nur höherern Personen zugänglich. Personal traf sich im Wirtshaus, der Pöbel hatte andere Sorgen. In Summa mein Rat: Lassen Sie sich feine Visitkarten drucken, sparen Sie mit Information und geben sie wenige Karten überhaupt aus.
www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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