Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 22/2014
Liebe Frau Andrea,
haben Sie schon mal den Ausdruck “mir geht die Dos’n” beschrieben? Ich habe ihn heute in einem Mail verwendet und da ist mir aufgefallen, dass er schon lange nicht mehr in meinem Wortschatz ist und offenbar meinem Unterbewusstsein für ein sehr altes Problem und dessen anstehende Bewältigung angemessen erschien. Vielen Dank für ihre Beschäftigung mit meiner Frage!
Liebe Grüße, Ursula Spannberger,
Salzburg, per NSA-Archivalie
Liebe Ursula,
in Unkenntnis Ihres Unterbewusstseins sowie alter und neuer Probleme aus ihrem Bewältigungsumfeld wollen wir den Begriff näher untersuchen. “Mia geht die Dos’n”, bairisch-österreichisch für “Mir geht die Dose” erinnert an zwei andere Ausdrücke aus unserer Umgangssprache. “Mir geht die Muffe” (mia geht die Muff’n) und “mir geht der Reis” (mir geht da Reis) beschreiben ähnliche Gemütszustände: Angst, Ungewissheit, Furcht und ihren Niederschlag als körperliche Befindlichkeit. Am einfachsten ist das “Sausen” der Muffe und ihr eventuales sprichwörtliches “Gehen” zu decodieren. Das Sprachbild ist in vermutlich soldatischem Umfeld aus dem Handwerksjargon von Installateuren und Schweissern ausgetreten und zu einem allgemeinen Begriff für große viszerale Angst geworden, für das Rumoren der Eingeweide, ja die Entleerung derselben im Augenblick überwältigender Bedrohung. Das deftige “Scheissmichan” beschreibt die gleiche Situation. Auch der “Reisgang” fällt in diese Metaphernkategorie, hat er doch weniger mit der Getreidepflanze zu tun als mit dem Reißen im Verdauungstrakt. Kämen wir zur “Dose”, einem derb-deutlichen Synonym für die Vagina. Die männlich geprägte Vulgärsprache ist hier anatomisch höchst ungenau und schlägt die “Dose” dem Darm zu. Wieso aber gehen Muffe, Reiß und Dose? Sie gehen nicht ab, sondern sie gehen durch. Wie geängstigte Pferde, die ungezügelt mit Wagen und Kutscher davonpreschen. Für die Verbreitung und Pflege der Wendungen dürfen wir die Berufsgruppe der alpinen Schneesportler ausmachen. Neben der Artistik ist der Umgang mit Angst, jedenfalls aber das Sprechen darüber Geschäftsgrundlage. Wie meint Rateonkel und Skisportkommentator Armin Assinger: Do pfeifen de Komantschen! www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina