Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11.4.2014
Österreichs politische Beobachterszene ist entsetzt. Der amtierende ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt und die Wahl gewonnen. Das von ihm gestaltete Wahlrecht ließ eine Vertrauenskundgebung zögerlich-wohlwollender Anhänger zum schieren Erdrutschsieg geraten.
Angesichts der schütteren Wahlbeteiligung lassen sich Berechnungen anstrengen, nach denen die Mehrzahl der Ungarn Viktor Orbán nicht gewählt hat. Damit steht der umtriebige Stuhlweißenburger in einer Traditionslinie ungarischer Machthaber, die erfolgreich das Bedürfnis des ungarischen Volkes nach sanfter Unterdrückung und nachhaltiger Fremdbestimmung bedienen. Aus österreichischer Sicht ist der magyarischen Seele ohnedies nicht mit Verständnis und Einsicht beizukommen, heißt es doch: „Immer wenn dér Ungár lusztig iszt, dánn weint ér.“ Weint der Ungar, muss er es nach dieser Logik also lustig haben. Das Talent zur Bipolarität lässt sich auch in der Biografie Orbáns festmachen. Startete dieser seine politische Karriere doch als Jugendvorsitzender der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei, um angesichts wechselnder weltpolitischer Hegemonien ins christlich-soziale Lager zu schwenken, wo er es bis zum Vizepräsidenten der europäischen Volkspartei, ja zum Vizepräsidenten der Christlich Demokratischen Internationale machte. Immerhin nur Vizepräsident und eigentlich Kommunist, hört man liberale Schwarze hierorts raunen. Bewunderung für Orbáns machiavellistisches Händchen hatte indes einer schon vor Jahren. Die Chuzpe, mit demokratischen Mitteln eine dynastische Lebensstellung einzurichten, rang Altkanzler Wolfgang Schüssel Respekt ab. Ist doch alles am Ungarischen zutiefst österreichisch. Die ungenutzte Sehnsucht nach Freiheit. Die Installierung vertrauensstörender Institutionen. Die Verachtung alles Fremden. Der Rückzug in die Hölle des Privaten. In einer Idealwelt wäre der Österreicher Ungar. Stolz stünde er auf seinem sattellosen Pferd, bisse in einen Paprika und erwartete das Vorbeifahren des Magnaten. Dessen tiefer Verachtung gewiss, würfe er sich huldigend in den Staub der Kutsche. Éljen a Magyar!