Für meine Doppel-Kolumne im Heftteil ‚Freizeit‘ der Salzburger Nachrichten vom 8.3.2014
Die Ereignisse überschlagen sich, können wir lesen und dabei feststellen, dass sich vor allem die Schlagzeilen überschlagen. Putin überfalle die Ukraine, heißt es, er marschiere in die Krim ein, breche Völkerrecht, internationale Verträge und überhaupt die guten Sitten slawischen Miteinanders. Die Demokratie in der Ukraine (eben noch ein Schurkenstaat) werde mit Füßen getreten. Im Schatten des olympischen Feuers habe Putin heimtückisch den Krieg vorbereitet.
Holla! Feurio! Oida! Österreichs Blogs und Blätter erleben eine Hochzeit politischer Expertisen. Im Fernsehen treten Putinologen auf, Maidan-Veteranen und Ukraine-Kenner aller Kaliber. Mit dem Zirkel werden Europakarten vermessen, Flugstunden verglichen und Handelsbeziehungen untersucht. Eine These will verfestigt werden: Wir sind Ukraine. Kiew geht uns alle an.
Und erst die Invasion in die Krim! Kriminell, wie schon das Wort verrät. Erst fällt die Halbinsel im Schwarzen Meer, morgen ist Salzburg an der Reihe, dann Kitzbühel und Sankt Anton. Ihre Wohnungen und Villen haben sie schon da, die Russen, jetzt kommen dann die Panzer. Da wird uns auch der Karli Schranz nicht helfen können. Was zu Zeiten des Kalten Kriegs der Kremlastrologe war, ist dieser Tage der Kenner der Putin’schen Seele.
Putin habe den Zusammenbruch der Sowjetunion als Urkatastrophe seines Lebens empfunden, sagen die einen, als Kind habe er in einer zu kleinen Wohnung wohnen müssen, wissen die anderen. Der nervenzerrüttende Anblick einer rettungslos in die Ecke getriebenen Ratte habe sich als Lebensmotiv manifestiert. So wolle er nie werden, berichten die Experten aus Putins Innerstem. Wo aber waren die Putinologen, als der emeritierte Boxchampion Klitschko zum Oppositionskönig ausgerufen wurde, wo, als die Auferstehung der rollstuhlfahrenden Zopfkrone Timoschenko stattfand? Was dachten sie, als die Kiewer Übergangsregierung den ukrainischen Russen den Gebrauch ihrer Muttersprache verbot?
Prabo Kottan, riefen sie, endlich hat’s mal wer dem Brutalinski Putin so richtig gezeigt! Davon erholt der sich nicht mehr.
Aja.