Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 30/2013
Liebe Frau Andrea,
gerade wird die Mariahilferstrasse zu einer Multibegegnungs-Fuzo umgebaut. Das soll mir recht sein. Als nichtreligiöse Zeitgenossin hab ich eher Schwierigkeiten mit der Bezeichnung “Mariahilfer”-straße. Kann man da was machen?
Laizistische Grüße, Mia Cahon,
Mariahilf, per Smalt
Liebe Mia,
die Historikerinnen-Kommission, die im Auftrag der Stadt Wien die Strassennamen Wiens nach demokratiepolitisch kritischen Auffälligkeiten durchsuchte, hat in Bezug auf die Mariahilferstrasse keinen intensivem Diskussionsbedarf festgestellt. Wir wollen Ihrer Idee einer möglichen Umbenennung von Wiens grösster Einkaufsstrasse dennoch Aufmerksamkeit schenken. Im Laufe seiner vieltausendjährigen Geschichte hiess der illyrisch-keltisch-römische Kammweg zwischen Wiental und Ottakringerbach schon Kremser Straße, Bayerische Landstraße, Laimgrubner Hauptstraße und Mariahilfer (Grund) Straße, jenseits des heutigen Gürtels dann Fünfhauser Hauptstraße, Schönbrunner Linienstraße, Penzinger Poststraße, Schönbrunner Straße. Ein erster Versuch, die Gottesmutter aus dem Strassennamen zu verbannen, wurde kurz nach Öffnung des Eisernen Vorhangs unternommen, als in Reaktion auf die hunderttausenden Ungarn, die hier nach günstigen Elektrogeräten Einkaufschau hielten, die Bezeichnung ‘Magyarhilferstrasse’ aufkam. Ihren Namen hat die Mariahilferstrasse von einer Kopie des Passauer Marien-Gnadenbildes, das der Barnabit Don Cölestin Joanelli 1660 einer hölzernen Kapelle in der sogenannten “Scheffstrasse” stiftete. Dies war der alte Name der “Mahü”. Die Gegend hiess ‘Im Schöff’ oder ‘Im Scheff’, nach einem ausgedehnten Gehöft, das im Eigentum des Amtmannes der Schiffsleute stand. Im Wirtshaus “Zum goldenen Schöff” sollen die bayrischen Schiffer eingekehrt sein, die Nutzholz die Donau flussabwärts verschifft hatten, und nachdem sie es in Wien verkauft hatten, auf dem Landweg wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Andere Lokalhistorikern führen den Namen auf das ‘schephen’ (schöpfen) zurück, auf die Maischabgabe, die die Weinbergherren hier einhoben. Weder die eine noch die andere Deutung steht einer Rückbenennung der Mariahilferstrasse entgegen. Mein Vorschlag für die baldige Begegnungszone lautet: “Im Schröpf”. www.comandantina.com dusl@falter.at