Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 28/2013
Liebe Frau Andrea,
man hört leider selten zwei Drachen miteinander reden. Gesetzt den Fall man hätte das Glück, wie würden die wohl über das Feuerspeien fachsimpeln? „Du speist ein mickriges Feuer, wenn du vorher Gemüse speist“?
Höllisch neugierig,
Ihr Lois Burgstaller, per Smalt
Lieber Lois,
ich kann das weitgehende Fehlen Ihrer Wahrnehmungen bestätigen, sprechen wir doch bei Drachen von Fabelwesen. Deren Existenz und Kommunikationsverhalten sind – ungeachtet der Aufplusterungen durch mittelalterliche Mythologen und moderne Fantasy-Autoren – enge Grenzen gesetzt. Der Drache hat seinen Namen vom altgriechischen δράκων, drákōn, Schlange und bedeutet (δρακεῖν, drakein heisst ‘sehen’) ‘der starr Blickende‘. Wir haben hier einen Hinweis auf die reptilische Natur des Drachen. Diese erklärt auch seine Attributierung als Feuerspeier – ungenaue Beobachter von Echsen und Schlangen interpretierten deren Züngeln für Feuerstösse. Heute wissen wir, dass die erwähnten Kriechtiere mit dem wiederholten Herausstrecken und Einziehen ihrer gegabelten Zunge Geruchspartikel aus der Luft oder von Oberflächen aufnehmen, die über die gespaltene Zungenspitze zu den beiden Sinnesepithelen ihres Geruchsorganes, des Vomeronasalorganes an der Gaumendecke transportiert werden. In einem ganz anderen, als dem von Ihnen, lieber Lois, intendierten Sinn kann das Züngeln (vulgo Feuerspeien) also auch der innerartlichen Kommunikation dienen. “Diskussionen” über die Qualität des Essens wären durchaus möglich – unter den Reptilien findet man Pflanzenfresser, Fleischfresser und Allesfresser. Einer Interpretation durch unsere Großhirnrinde (Reptilen fehlt dieser Gehirnteil) ist der Inhalt dieser Züngelgespräche verwehrt. Zu guter letzt gilt es den Unterschied zwischen speien und speisen zu klären. Speien, (gemein)germanisch *speiwa, ist mit dem Spucken und dem Speichel verwandt, während das Speisen und die Speise vom lateinischen spesa, der Spese kommt. Spesa wiederum ist eine lautliche Korruption eines älteren spensa, das von expēnsa kommt und das ausgegebene Geld, den Aufwand bezeichnet. Als letzter heimischer Drache wird der Basilisk angesehen, der 1212 in einem Haus-Brunnen in der Wiener Schönlaterngasse erschlagen wurde. Es dürfte sich um eine wohlgenährte Kröte gehandelt haben. www.comandantina.com dusl@falter.at