Die flotte Lotte und ihr Freundeskreis

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 19/2013
Liebe Frau Andrea,
schon etwas länger her, beim Osterschmaus, hat mich ein bis dato unbekannter Ausdruck heimgesucht, den meine Großmutter als Synonym für ihre Vagina verwendet und der mich vom Tisch vertrieb: Lotte. Woher kommt dieser Ausdruck und ist er mit seinen männlichen Pendents, den Willis und Johannes‘ verwandt?
Gruß, JC,
Emailhausen
Lieber, liebe Jaycee,
die Begriffe “unbekannt” und “heimsuchen” sind im Zusammenhang mit dem Geschlechtsorgan einer nahen Verwandten gewiss nicht leicht miteinander in Einklang zu bringen! Wir wollen also annehmen, dass auch Ihre Reserviertheit dem Ausdruck “Lotte” gegenüber der Verbindung mit Ihrer Grossmutter geschuldet ist. Johannes, ein gängiges Hüllwort für den männlichen Penis entspringt wohl dem Sprichwort “wie die Nase eines Mannes, so auch sein Johannes”. Willy, eine anglosächsische Personalsierung des ‘membrum virile’ kommt mit grosser Wahrscheinlichkeit von “willow”, der Weide, Weidenrute. Der weibliche Vorname “Lotte” ruft literarische Erinnerung an “Die Leiden des jungen Werther” wach. Im Goethes Briefroman verzehrt sich ein junger Mann an der unerfüllten Liebe zur verheirateten “Lotte”. Die Sache geht bekanntermassen nicht gut aus, der Unerhörte geht in den Tod, dutzende Leser folgen dem Helden. Im Roman “Lotte in Weimar” spürt Thomas Mann dem erkalteten Verhältnis Goethes mit dem literarischem Vorbild für Lotte, Charlotte Buff nach, die 44 Jahre nach der platonischen Liaison den gefeierten Dichterfürsten im Weimar besucht – heimsucht, wie Sie sagen würden. Zur Verbindung von Lotte und Vulva scheint es, sprachlich gesehen, schon früh gekommen zu sein. Die Wortfamile, zu der “Lotter” (der Liederliche, Faule), “Lottel” (synonym mit nachlässig, verkommen) gehören, und davon abgeleitet, das Lotterleben, der Lotterbube, der Lotterjan, das Lotterbett, aber auch verlottet und lotterlich, kommt vermutlich von “Lode”, dem Schössling und ist gewiss mit “Luder”, “luderlich”, ja “liederlich” verwandt. “Loddel” ist jenseits des Weisswurstäquators auch eine Bezeichnung für den Zuhälter. Nicht ganz falsch wäre der Gedanke, Lotte, Lodde, Lode auch in Zusammenhang mit dem Verb “laden”, “einladen” zu stellen. Was Ihre Oma und ihre flotte Lotte wohl dazu sagen würde, überlasse ich den nächsten Ihrer Ostergespräche.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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