Rad an, Rad ab, Rad weg

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 18/2013
Liebe Frau Andrea,
Sie können selbst unerklärliche Phänomene erklären, dann werden Sie auch auf dieses Rätsel eine Antwort wissen: An Fahrradständern, Verkehrszeichen u.ä. häufen sich versperrte Fahrradschlösser – ohne Fahrrad. Warum? Wäre das Fahrrad gestohlen, warum bleibt das geknackte Schloß zurück? Ist der Rahmen durchgesägt worden? Haben die Ausserirdischen das Fahrrad weggebeamt? Sind die Fahrradbesitzer in ihrer Zerstreutheit aufs Fahrrad gestiegen und haben das Schloß vergessen? Was ist da los?
Danke für die Aufklärung, Christian Exner,
Ganzjahres-Radfahrer, Emailhausen
Lieber Christian,
2011 wurden in Wien 7.768 Fahrräder entwendet, das waren pro Tag durchschnittlich 21. Die geschätzte Dunkelziffer wird von den Behörden allerdings als etwa achtmal so hoch angesehen. Gehen wir daher bei unserer Betrachtung von etwa 17o täglich in Wien gestohlenen Velozipeden aus. Statistisch gesehen wechselt jedes 16te Wiener Rad einmal im Jahr illegal den Besitzer. Die hohe Dunkelziffer und die geringe Aufklärungsrate – kaum 3 von 100 Diebstählen werden geklärt – dürften einander wechselseitig bedingen. Wer keine Aussicht auf das Wiederbekommen des gefladerten Bikes hat, spart sich auch den Gang auf die Wachstube. Woher kommen nun die vielen zurückgelassenen Schlösser? Sind es viele? Unsere Wahrnehmung einsamer Fahrradschlösser an Ständern und Stangen wird durch die Aufmerksamkeit, die wir diesem Phänomen widmen, verstärkt. Ein einziges Solo-Schloss hielten wir noch für bemerkenswert, ein zweites und gar ein drittes jedoch liesse und lässt uns schon an einen Trend denken. Im Lichte dieser Betrachtung schreiten wir zur Analyse des seltenen aber auffälligen Befundes. Für das Phänomen des verbliebenen Schlosses kommen in Frage: Radler, die mit dem Bügelschloss nur ein paar leicht durchzwickbare Speichen, nicht aber Reifen oder Rahmen umfassten, dann solche, die nächtlich müde oder illuminiert das Schloss nur an Verkehrszeichen oder Fahrradständer, nicht aber an ihr Rad fädelten und schliesslich Klappradbesitzer, die wohl den Rahmen anschlossen, dabei aber vergassen, dass dieser am Scharnier auseinandernehmbar ist. Denkbar wäre auch eine Marketingidee gewiefter Fahrradhändler, die Aufmerksamkeit für die Unzerstörbarkeit der von ihnen vertriebenen Bügelschlössern generierten. Was ihnen, träfe dies zu, durchaus gelungen wäre.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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