Wem gehört der Herrenreiter?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 17/2013
Liebe Frau Andrea,
immer wieder einmal taucht das Wort „Herrenreiter“ auf, bei Beschreibungen von Personen, Witzen, man spürt, dass es nicht freundlich gemeint ist, so in Richtung „herrisch“. Nun wollte ich es einmal genau wissen, konnte aber auch in Google außer Begriffen wie „Amateurreiter“ nichts für mich Sinnvolles finden. Daher meine Frage: woher stammt der Begriff „Herrenreiter“ und was bedeutet er eigentlich genau? Hoffe sehr auf Ihre Weisheit!
Liebe Grüße von meinem Nichtreiterhaushalt,
Inge Mayer, Emailhausen
Liebe Inge,
wie Sie schon sehr richtig selbst ermittelt haben, bezeichnet der gesuchte Ausdruck in stets abschätziger Weise, den hochmütigen, hohlköpfigen, blasierten und zudem adligen Reitersmann, der mit leicht vorhängenden Schultern, hochgezogenen Augenbrauen und herablassendem Blick über die eigenen Ländereien reitet und neben Geltungsbedürfnis keine anderen Interessen hat als Pferde, Sekt und Weiber. Dieses Bild zeichnet der deutsche Diplomat und Schriftsteller Hans-Otto Meissner (der Sohn von Hindenburgs engstem Mitarbeiter) von Franz Joseph Hermann Michael Maria von Papen, Erbsälzer zu Werl und Neuwerk. Der ehemalige Berufsoffizier, als „Herrenreiter“ Franz von Papen in die Geschichte eingegangen, amtierte von Juni bis Dezember 1932 als Reichskanzler und von Januar 1933 bis Juli 1934 als Vizekanzler im Kabinett Hitler, wo er sich seinen zweiten equestrischen Spottnamen einhandelte: “Hitlers Steigbügelhalter“. Die Bezeichnung “Herrenreiter” ist eine Lehnübersetzung des englischen Ausdrucks “gentleman rider”. Damit wurden – im Gegensatz zum Jockey – jene, stets begüterten Reiter bezeichnet, die auf eigenem Pferd an einem Rennen teinahmen. Einen trefflichen Eindruck vom Typus des mehlsackgleich im Privatsattel hängenden Kavalier gibt Edgar Degas in der 1866/70 gemalten Gouache “Gentleman Rider”. Eine späte Konjunktur erlebte der Begriff im Österreich der Achtzigerjahre, als dem Präsidentschaftskandidaten der ÖVP und späteren Bundespräsidenten Kurt Waldheim eine, in seiner offiziellen Biografie vergessene Mitgliedschaft in der SA-Reiterstandarte 5/90 nachgewiesen wurde. Kavallerist Waldheim galt fortan als “Herrenreiter”. Verwandt mit dem vorwaldheimlichen Herrenreiter ist der “Herrenfahrer”, der Typus des Rennfahrerhandschuhe und Schirmkappe tragenden Fahrer eines leistungsstarken Wagens, der just so fährt, als ob ihm allein die Straße gehörte.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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