Ja ähm dürfen sie das überhaupt, ja ähm

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 14/20132200 Netto
Liebe Frau Andrea,
seit geraumer Zeit fällt mir auf, dass das Wort „ja“ eine inflationäre
Verwendung erfährt. Auf der Straße, in der U-Bahn und – ja – auch im
Fernsehen kommt es immer öfter an unangebrachter und – ja – störender
Stelle vor. Wer hat damit angefangen? Kann man das stoppen? Mir geht das
schon derartig auf die Nerven und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir
irgendwie – ja – weiterhelfen könnten.
Herzlichen Dank im Voraus,
Gerhard Sorger, Emailhofen
Lieber, äh, Gerhard,
Ihre Wahrnehmungen einer gesteigerten Verwendung der Antwortpartikel “ja” decken sich noch nicht mit den Ergebnissen meiner privatempirischen Feldforschungen auf dem Gebiet der sprachlichen Belästigungen. Ich will Ihren Befund aber dennoch als Alarmsignal werten und der Durchdringung des öffentlichen Raums mit der “ja”-Silbe in Zukunft gewichtete Aufmerksamkeit und ablehnende Würdigung widmen. Bevor wir uns in dem sprachmagischen Gestus der Partikel und ihrer Funktion in der deutschen Sprache verlieren, darf ich den Verdacht äussern, dass die Mehrzahl ihrer akustischen Beobachtungen im öffentlichen Raum das Personalpronomen (auf deutsch: das persönliche Fürwort) “ich” betreffen. Dieses wird in nahezu allen in Österreich gesprochenen slawischen Sprachen “ja” ausgesprochen. Sensibilisiert auf das Wörtchen “ja” sollten sie dieses auch in öffentlichen Handyphonaten und Konversationen hier lebender Russen, Ukrainer, Weissrussen, Kroaten, Serben, Bosnier, Slowaken, Tschechen und Polen hören. Bei Verwendung von “ja” als Synonym für “äh”, “ähm”, “also”, “na” nimmt die inkrimminierte Silbe die Funktion einer Diskurspartikel an. Hier sollten wir den Linguisten folgen, die den Füllseln eine Wichtigkeit zusprechen, die wir im sprachlichen Zweikampf gerne übersehen. Diskurspartikel dienen dem Gehirn des Sprechenden, Sätze und Gedanken zu strukturieren, Fehler in semantischen Konstruktionen zu reparieren und das Gespräch zu strukturieren. Untersuchungen haben gezeigt, dass dies durchaus zu beiderseitigem Nutzen geschieht. Auch die Hörenden profitieren von den Diskurspartikeln. Meine Intoleranz im galloppierenden Diskurspartikelmissbrauch gilt dem Silbensalat “sozusagen”. “Sozusagen” macht mich so rasend, wie sie das “ja”. Sozusagen. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich es, sozusagen, selbst verwende. Ja.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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