Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 06/2013
Liebe Frau Andrea,
in einer Menschentraube steige ich in den U-Bahnlift. Mit uns eine jüngere Frau, Typus mittleres Management in einer westlichen Botschaft, sie telefoniert in grosser Lautstärke. Nach einer Weile der Beschallung (sie steht 25 cm von mir entfernt) sage ich: “Ein bisschen leiser bitte.” Keine Reaktion. “Piano, quiet please.” Wieder nichts. Darauf eine Studentin mit bundesdeutschem Zungenschlag: “Also mich stört’s nicht”. “Mich schon”, sage ich. “Weil sie kleinlich sind”, sagt die Studentin. Bin ich das? Und was antwortet man da?
Fragt Lisi Reinalter, per Email
Liebe Lisi,
selbstverständlich sind sie nicht kleinlich. Unfreiwillige Ohrenzeugenschaft beim fernmündlichen Privatgespräch gehört zu den grossen Belästigungen im öffentlichen Raum. Jede Form der nichtklagbaren sprachlichen Abwehr ist hier moralisch gerechtfertigt. Das Überreichen einer entsprechenden Konversationskarte, wie sie in dieser Kolumne schon vorgestellt wurde, wäre hier durchaus angebracht gewesen, eines der Billets mit Sätzen wie: „Sie sollten wissen: Jeder hier muss ihrem Gespräch zuhören“ und „Die Welt ist laut. Sie machen es nicht besser”. Im vorliegenden Fall hätten sie wohl zur Karte “Jetzt bitte Gusch!” gegriffen. Was aber der jungen Bundesdeutschsprachigen antworten, ohne patzig, provinziell und dem Vorwurf rechtgebend, tatsächlich kleinlich zu sein? Gehen wir die von ihnen reportierte Gesprächs-Passage im U-Bahn-Lift nochmal kurz durch und geben dem Trialog die Chance zur Entfaltung. Die knirschende Stille des vollen Lifts. Die Botschafter-Trulla telefoniert lauthals. Sie begegnen dem störendlauten Gelaber mit: “Piano, quiet please”. Die Fuffi mischt sich ein: “Also mich stört’s nicht”. Sie: “Mich schon”. Fuffi: “Weil sie kleinlich sind”. Sie, (Vorschlag): “Indeed, Señora avec the big Ohrstöpsels! Wäre ich kleinlich, wie sie hier einbringen, würde ich ihre fiebrige Kostümierung bemängeln, den elenden Soundhauch, der ihrem Taschenwurlitzer entströmt und generaliter zu einem teurerem Parfum raten. Oben, im Reich des Lichts und der Himmelsfinsternis geht die Welt zu Ende, das Gold verliert seine Würde, es rinnt durch die Scherben des zerbrochenen Krugs. Aber hier unten wollen wir innehalten und schweigen. Ich wünsche einen Guten Tag.“ www.comandantina.com dusl@falter.at