Hau di iwa d’Heisa

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 39/2012
Liebe Frau Andrea,
woher kommt der Ausdruck “Hau dich über die Häuser”? Ich habe recherchiert und kam auf eine “rotwelsche” Erklärung, also aus der Gangstersprache. Es soll angeblich ein Ratschlag unter Einbrechern gewesen sein, so um die Zeit des Mittelalters, als die Häuser noch eng beieinanderlagen, bei Entdecken über die Dächer zu fliehen. Aber so ganz kann ich das nicht glauben. Können sie mich aufklären?
Hochachtungsvoll Joseph Reisner,
vermittels Bernsteinfunkennachricht
Lieber Joseph,
die normative Kraft des Wienerischen sowie die einschlägigen Nachschlagewerke zeichnen ganz ähnliche Bilder zur Herkunft des Sich-über-die Häuser-Hauens. Die Redewende hat ihr geographisches Zentrum in Wien. Wir dürfen mutmassen, dass sie ihren Ursprung in der biedermeierlich-frühindustriellen Epoche hat, als gestrenge Hausmeister die Tore der im Kern oft noch gotischen Wiener Bürgerhäuser in der Stadt und draussen in den Vorstädten geschlossen hielten. Und geschlossen halten mussten. Nicht zuletzt im Sinne der Metternichschen Polizei, der viel daran lag, das sogenannte lichtscheue Gesindel vom Abtauchen in den nächsten Hauseingang, oder vom Nächtigen in den Kellern abzuhalten. Von Einbrüchen sowieso. Die Flucht über die Häuser, also über die Dächer dürfte nur den Extremfall einer Flucht dargestellt haben und wohl meist nur innerhalb eines Häuserblocks möglich gewesen sein. Für den Transfer der Wendung von der Wiener Gaunersprache ins Gemeinwienerische reichte das. Das Rotwelsche hat aber noch eine ganze Reihe anderer Ausdrücke für die Flucht entwickelt. Wo unsere deutschen Nachbarn sich bloss verdrücken, verkrümeln oder verduften, sich dünnemachen, verpissen, ne Fliege, ne Mücke machen oder schlicht Leine ziehen, macht der Wiener Fliehende “an Schuach” (einen Schuh) “schabert aus”, (mit dem Schabber, dem rotwelschen Brecheisen), “suacht a Loch”, “krotzt die Kuavn”, “geht in die Blüah” (die Blühe) und haut sich (wirft sich), ähnlich wie “üwa d’Heisa” “üwa d’Maua” (über die Mauer). Den schönsten Ausdruck für den vorzeitigen Abgang hat das Wienerische aber aus der romaňi čhib, der Roma-Sprache entlehnt, aus Romani “pal” (nach, hinter) wurde “Beuli geh’n” (Päule gehen) oder “beulisian” (päulisieren).
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