Angenagelt an den Lampenmast

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 34/2012
Liebe Frau Andrea,
die persönlichen Texte in Webforen und Online-Kommentarbereichen werden Postings genannt. Der betreffende Kommentator Poster. Manche von denen nennen ihre Elaborate allerdings Post. In elenden Fällen “der Post” oder “das Post” genannt. Wie heisst denn das nun richtig, und wieso heissen private Meldungen im Netz überhaupt so?
Beste Grüsse, Phillipp Tanzer,
vermittels Bernsteinfunkennachricht
Lieber Phillipp,
im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des Internets stammen die meisten Neologismen seiner Kommunikationskultur aus dem Anglosächsischen. Beim Betreten sprachlichen Neulandes greifen wir bewusst und unbewusst auf vertraute Begrifflichkeiten zurück. Hat eine Sprache, in unserem Falle das Englische, bereits ein Vokabular entwickelt, wird dieses angepasst oder übernommen – entlehnt, wie die Etymologen sagen. Nichts anderes ist mit den Begriffen comment (Kommentar) und posting (Posting) passiert. Bei comment/Kommentar fand sich im Deutschen ein fast ähnlich lautendes Wort. Nicht so bei posting, der continous form des verbs “to post”, soviel wie: etwas affichieren, plakatieren. Das Zeitwort verweist auf eine kulturelle Praxis im öffentlichen Raum US-Amerikas. Private Nachrichten, der Qualität “Katze entlaufen” oder “nächste Woche Flohmarkt in unserer Garage” wurden und werden am nächsten Post angebracht. Post – deutsch Pfosten – ist der, meist hölzerne Lampen- oder Telefonmast. Wir verstehen jetzt auch, warum die Anglosachsen zu Plakat Poster sagen. Es ist die am Pfosten angebrachte Nachricht. Um in der Frühzeit von Usenets und Newsgroups das haptische Poster vom elektronischen zu unterscheiden, etablierte sich die Partizipialkonstruktion “posting”, soviel wie: im Begriffe zu sein, ein Poster anzubringen. Das Netzdeutsche hat den, deutschen Ohren unverständlichen Begriff, wie andere auch, ganz einfach übernommen. Mit Konsequenzen für die sprachliche Karriere von “posting”. Die Irritationen manifestieren sich der Neuschöpfung “post” für posting, das, um sich von “der Post”, der Brief- und Paketstation zu unterscheiden, männlichen, bzw. sächlichen Genus annahm. Abhilfe böte sprachliche Genauigkeit. Etwa Pfostenschrieb für Posting. Und Anpfosterer für Poster. Die Anpfostererin wollen wir auch nicht vergessen.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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