Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 29/2012
Liebe Frau Andrea,
manchmal passiert’s, dass ich einen amerikanischen Film sehe. Sobald der Held am Morgen aufsteht, sieht man es – er schläft in Unterhose! Ist das nur im Film so? Damit die privaten Teile des Schauspielers bedeckt bleiben? Oder ist das echt so, dass Millionen männlicher Amerikaner in der Unterhose schlafen? Dass sie sogar in der Zeit der vollkommenen Entspannung und Erholung ihre private parts bedeckt halten wollen, vielleicht aus Angst vorm Traummännchen?
Irgendwie fürchte ich Ihre Antwort.
Mit ängstlich erwartungsvollen Grüßen,
Inge Mayer, über Bernsteinfunkennachricht
Liebe Inge,
die amerikanische Filmindustrie ist jenseits ihrer Konstituente, Geld zu verdienen in das Dilemma verstrickt, eine Welt abzubilden, die von ebendieser Welt nur angenommen wird, wenn sie märchenhaft verzerrt wird. Ganze Genres widmen sich dem Fluch der Überhöhung. Das Traummännchen, vor dem sich der bettschlafende Held fürchtet, ist Puritaner. Es sorgt im amerikanischen Porno für rasierte Muschis und gebuildete Bodies, im Actionfilm für die richtige Munition und im Problemstreifen für die political correctness. Gemeinhin ist das Doppelbett eine Metapher für den Beischlaf. Abseits der romantischen Knutschkomödie wird im amerikanischen Film der sexuelle Status des Helden/der Heldin über das Zubettgehen und das Aufstehen gezeigt. Die Codes sind einfach. Gemeinsames Zubettgehen: es wird gepempert werden. Gemeinsames Liegen unter der bis zum Kinn gezogenen Decke: Der Sex war gut. Held sitzt an der Bettkante, Heldin bleibt liegen: Er hat eine andere, sie will ihn ganz. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Held aus Sicht der Kamera immer rechts liegt. Das Tragen von Unterhosen im Kino hat dramturgische wie sexualneurotische Gründe. Schauspieler scheuen die Entblössung, Regisseure das Hantieren mit Unterwäsche. Das führt zu mitunter bizarren Szenen, in denen der Held mit angezogener Unterhose den Beischlaf vollzieht. Dass kasernierte Soldaten grundsätzlich in gut sitzenden Slips schlafen, versteht sich von selbst. Anderes würde die tendenziell homomphobe Sexualmoral der Amis nicht zulassen. Der Durchschnittsamerikaner nächtigt wie seine Helden: In “Pajamas”, übergrossen T-Shirts und in der Unterflak. www.comandantina.com dusl@falter.at