Kunst und Gunst, Wagner, Hitler und Putzi

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 28/2012
Liebe Frau Andrea,
“Der Kunst droht allweil Fall und Schmach, läuft sie der Gunst des Volkes nach” reimt sich fein von “Schmach” auf “nach”. Ich denke manchmal an diesen Satz aus Richard Wagners “Meistersingern von Nürnberg”, setze in der Alltagssituation die Sache für die Kunst – wo mir oder anderen die Sachlichkeit in der Handhabung einer Sache abhanden kam. Quasi, da war in der Sache alles Wurscht, nur kein Konflikt, die Gunst der Mehrheit, der Gruppe, hatte Vorrang. Vor ein paar Tagen fiel mir auf, dass auch Kunst und Gunst sich reimt. Gibt es einen Zusammenhang?
Servus, Kurt Vallaster, per
Bernnsteinfunkennachricht
Lieber Kurt,
im Leben von Richard Wagner und seinem Œvre wimmelt es von Zusammenhängen. Diese stellten und stellen sich auch noch lange nach dem irdischen Wirken des Gesamtkunstwerkers ein. So heisst es, die 1868 uraufgeführten “Meistersinger” sei die Lieblingsoper Adolf Hitlers gewesen. Zumindest, wenn es nach Führerfreund und Nazi-Finanzier Ernst „Putzi“ Hanfstaengl ging, der dem Braunauer in den 20erjahren oft auf dem Klavier vorspielte. Hitler, so wird der wohlhabende Verlegersohn und zeitweilige Auslands-Pressechef der NSDAP zitiert, habe die „Meistersinger“ auswendig, „mit durchdringendem Vibrato“ pfeifen können. Die Sie nachdenklich machende Zeile “Der Kunst droht allweil Fall und Schmach, läuft sie der Gunst des Volkes nach” fällt in der 3. Szene des 1. Aktes, ein Bass singt es dem anderen vor – der Bäcker Fritz Kothner dem Spengler Konrad Nachtigall. Ob Hitler zu tiefem Basspfeifen fähig war, und “Schmach” und “nach” trällern konnte, ist nicht überliefert. Die Kunst kommt, unabhängig von Wagner, Hitler und Hanfstaengl, vom Können und dieses vom Kennen, Wissen. Es ist verwandt mit dem Gneissen und der griechischen Gnosis, der (Er-) Kenntnis. Mit der Gunst verhält es sich komplizierter. Zwar kommt sie vom Gönnen, hat aber trotz der lautlichen Ähnlichkeit nichts mit der Kunst gemein. Etymologisch betrachtet ist sie die festgewordene Präfigierung zu dem alten Präterito-Präsens “g. *ann/unn”. Noch das Althochdeutsche kannte das Zeitwort (gi)unnan, lieben, gönnen. Was nichts anderes heisst, als dass die Gunst unverspachtelteweise eigentlich Ge-Unst heissen müsste.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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