Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 26/2012
Liebe Frau Andrea,
warum sind manche Menschen geradezu süchtig nach Sonne und legen sich wie Grillkotletts unter den Feuerball, während andere, Zombies gleich, Schatten und Innenräume aufsuchen, sobald es schön und heiss wird. Und daraus abgeleitet: Was ist jetzt besser: Die gesunde Bräune oder die noble Blässe?
Tina Schneider, Margareten,
per Gesichtsbuchdirektnachricht
Liebe Tina,
in Zeiten vor dieser war noble Blässe ein Ausweis für den Luxus des Schattens. Aristokraten und Höflinge waren nicht dem existentiellen Furor des Arbeitens im prallen Sonnenlicht ausgesetzt. Als “blaublütig” wurde im frühmittelalterlichen Spanien der hellhäutige westgotische Adel bezeichnet – anders als bei den braungebrannten Iberern konnte man bei den Germanen die Venen durch die Haut sehen. Bis in familiär erinnerliche Zeiten hielt sich, auch bei uns, das Eleganzphantasma der bleichen Haut. Mit dem Aufkommen der Phänomens “Strandurlaub” verschoben sich diese Gewichte. In den 60ern und 70ern war die sommerliche Bräune zum allgemeinen Statussymbol aufgestiegen. Bleich waren nur die Kranken und die Unterschicht. Die Echos aus dieser Zeit sind solariumsüchtige Arbeiterenkel und eine Millionenschar hautgealterter Frühpensionsten. Und eine steil ansteigende Hautkrebsrate unter Hellhäutigen. Die Sonnenanbetung hat neben kulturmodischen Aspekten auch eine physiologische Komponente. Dunkle, melaninreiche Haut hemmt die Produktion von Vitamin D, ein zentraler Akteur im Knochenstoffwechsel. Bewohner sonnenarmer Breiten evoltierten nach der Eiszeit die helle Haut als Vitamin-D-Bildungs-Turbo und parallel dazu die Lactosetoleranz, also die Fähigkeit, als Erwachsener Milchprodukte und das in ihnen enthaltene Vitamin D verdauen zu können. Aber was ist jetzt gut, blass oder braun? Für die blasse Haut eines hellhäutigen, jungen, erwachsenen Menschen ist die minimale Erythemdosis, also der Beginn der Hautrötung an einem sonnigen Sommermittag auf 40° Breite in Meereshöhe, (i.e. New York oder Neapel) nach zehn bis zwölf Minuten erreicht, Dunkelhäutige und bereits gebräunte benötigen dazu bis zu zwei Stunden. Internationale Empfehlungen empfehlen als günstige Dosis eine Sonnenbestrahlung von dreimal pro Woche zehn bis 15 Minuten ist. Dabei reicht es, wenn Gesicht, Hände und Unterarme der Sonne ausgesetzt sind. Konklusio? Schatten. www.comandantina.com dusl@falter.at