Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 22/2012
Liebe Frau Andrea,
in den Nachrufen auf Ernst Hinterberger ist immer von seiner „Kabane“ im Gänsehäufel die Rede. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei um eine Dauerkabine handelte, was eine aktuelle Google-Recherche bestätigt. Den Begriff „Kabane“ konnte ich jedoch in keinem der konsultierten österreichischen Wörterbücher finden! Können Sie, liebe Frau Andrea, mich darüber aufklären, wie sich der Buchstabe „a“ in die Kabine geschwindelt hat ? Im Vorhinein für eine Auskunft dankt Hans, der daran denkt, wie einer in seiner Kabane dunkt, während die dort aufgestellte Pendeluhr dinkt und donkt….
Mit freundlichen Grüßen
Johann Linzer, Atzgersdorf,
per Bernsteinfunkennachricht
Lieber Johann,
die Legende der Kabane ist eng mit jener des Gänsehäufels verbunden. Das Naturstrandbad an der Alten Donau wurde 1900 vom schrulligen Schneider Florian Berndl auf einer uralten Strominsel gegründet. Nach Konflikten des langbärtigen Naturheilkundlers mit konservativen Journalisten, die gegen das gemeinsame Baden von Männern und Frauen und gegen andere moderne Körperkulturaktivitäten wetterten, wurde das Bad von der Stadt übernommen und 1907 als “Strandbad der Commune Wien am Gänsehäufel” eröffnet. Im Verständnis der Gänsehäufler ist mit Kabane eine grosse Dauerkabine gemeint. Das Mietrecht in den spartanischen Räumchen mit Vordach und Miniterrasse wird in manche Familien schon seit Generationen weitergegeben. Novizen müssen viele Jahre lang angemeldet sein, um mit viel Glück eine der begehrten Kabanen zu bekommen. Der Verdacht liegt nahe, Kabanen wären Kabinen, in die sich das “a” des Kabäuschens eingeschlichen hat. Tatsächlich sind Kabinen Kabanen, in die sich ein “i” verirrt hat, kommt doch das Wort Kabine vom altfranzösisch-provençalischen “cabane” und dieses vom spätlateinischen “capanna”, der Hütte (des Weinbergaufsehers). Cabane bezeichnete die saisonal genutzte Einraum-Hütte (süd-)französischer Bauern, Hirten, Holzfäller, Jäger, Köhler und Kalkbrenner. Ihren Weg ins Gänsehäufel hat die Kabane möglicherweise über “cabane” als Bezeichnung für Fischerhütte gefunden. Sehr wahrscheinlich zu einer Zeit, als Trottoir (Drotto-ah) für Gehsteig und Portemonnaie (Boattmonäh) für Geldbörsl ihre kurze Karriere im Wienerische machten. www.comandantina.com dusl@falter.at