Ribiseln auf der Nase

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 20/2012
Liebe Frau Andrea,
neulich in der Bim sitzend, wurde ich Ohrenzeuge eines Gesprächs zweier älterer Wiener Damen aus der Vorstadt, die sich über ihre Augenärzte unterhielten. Dabei fiel neben anderen Erörterungen der despektierliche Satz: “I wass ned, ob ma eam trau’n soi, er miachtlt imma leicht noch Cognac und hod soiche Riwisln auf da Nosn.” Bitte um Erläuterung.
Beste Grüße, Adam Berger,
per Elektronachricht
Lieber Adam,
ein Urteil über die fachlichen Qualitäten des von Ihrer Mitpassagierein blumig beschriebenen Opthtalmologen kann ich kaum fällen. Österreichs Alkoholiker sind bewunderswerter Leistungen fähig. Der Wiener Ausdruck “Riwisl” oder “Ribisl” (vielfach auch “Ribisln”) auf der Nosn”, also “Ribisel auf der Nase” beschreibt in anschaulicher Weise eine Sonderform der Rosazea oder Kupferrose, einer meist im fünften Lebensjahrzehnt beginnenden entzündlichen Hautrötung des Gesichts. Die knollenartigen Wucherungen der Nase älterer Männer sind klinisch als Rhinophym bekannt, Nichtmediziner sprechen von der Trinkernase. Wohl, weil neben scharfen Gewürzen, Hitze, Kälte und Sonnenlicht die Volksdroge Alkohol das Wachstum der imposanten Nasenpusteln begünstigt. Eine Ribsilnase in Vollblüte zeigt das um 1490 entstandene Gemälde “Alter Mann mit Enkel“ des florentiner Renaissancemalers Domenico di Tommaso Curradi di Doffo Bigordi, genannt Ghirlandaio. Als Riwisl oder Ribisl bezeichnen die Wiener die Rote Johannisbeere (Ribes rubrum) aus der Familie der Stachelbeergewächse (Grossulariaceae). Das lateinische Wort “ribis” oder “ribes” geht trotz seiner Österreichischkeit allem Anschein nach auf persisch “riwās” oder “ribās” zurück und gelangte über Syrien ins Arabische. Es bezeichnete ursprünglich eine Rhabarberart (Rheum ribes). Der Name wurde im Mittelalter wegen des säuerlichen Geschmacks der Ribisl-Beeren, der an jenen des Rhabarbers erinnert, für die Johannisbeeren übernommen. Wollte man in Gegenwart von Betroffenen aus Gründen der politischen Korrektheit den Begriff Ribislnase für Rinophym vermeiden, wäre es zumindest etymologisch nicht falsch, von der persisch-rhabarberlichen Herausforderung zu sprechen.
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