Liebe und aufgewärmtes Gulasch

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 06/2012
Liebe Frau Andrea,
hierzulande kennt man die Redewendung „Aufgewärmt ist nur ein Gulasch gut“ wenn es um die Wiederbelebung einstiger, eigentlich bereits erfolgreich abgeschlossener Beziehungen geht. Nun frage ich mich, ob in anderen Ländern und Sprachen ein ähnlicher Vergleich mit eintopfartigen Gerichten zur Verfügung steht? Nimmt der Italiener zum Beispiel Bezug auf die Sauce Bolognese? Oder dient dem Franzosen eine Cassoulet als Vergleichsobjekt?
Mit besten Grüßen,
Johanna Schmidt, per Elektrobrief
Liebe Johanna,
nach einem bescheidenen proverbialistischen Rundblick lassen sich in anderen Ländern keine weiteren Redewendungen ausmachen, die Eintopfgerichte und Aufwärmliebe konjugieren. „Bisogna battere il ferro quando e caldo”, sagen die Italiener, man müsse das Eisen schmieden, solange es heiss ist. Ob das für Liebesmetall gilt, sagen sie nicht. „Make hay while the sun shines”, wissen die Engländer. Nun ja. Das Fehlen eines vergleichbaren Sprichwortes erzählt uns mehr als der schiere Fund eines solchen. Möglicherweise ist das Aufwärmen von Beziehungen in anderen Kulturkreisen nicht nicht so negativ besetzt wie hierzulande. Auch das Wiederwarmmachen von Speisen könnte andernlands mit weniger Küchentabus belegt sein als bei uns. Eintopfgerichte wie Irish Stew, jiddischer Tscholent, französisches Cassoulet und Pot-au-feu, kastilische Olla podrida und die ungarischen Gulaschmütter Pörkelt und Bográcsgulyás werden zwar auch lange gegart, mit unschmackhafter Liebeswiederkehr verbinden sie die Aphorismen nicht. In dem von ihnen kolportierte Sprichwort dürften zwei deutschsprachige Küchenerkenntnisse zusammengeflossen sein. So halten unsere deutschen Nachbarn aufgewärmten Kaffee für ebenso schlecht wie eine aufgewärmte Beziehung. Und einem gängigen österreichischem Mythos zufolge müsse Wiener Wirtshaus-Gulasch nicht nur ewig lange gegart werden, sondern dürfe auch beliebig oft wieder aufgewärmt werden. Eine Variante des Sprichwortes wird vom österreichisch-schweizerischen Schauspieler und Filmregisseur Bernhard Wicki, mütterlichereits Ungar, kolportiert: “Urlaubsbekanntschaften und Pilzgerichte soll man nicht aufwärmen.” Es darf angenommen werden, dass Wicki Erfahrungen in beiden Genres gemacht hat.
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