Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 05/2012
Liebe Frau Andrea,
in einer Wiener U-Bahn-Station kamen uns neulich ein paar düstere aussehende Typen entgegen. Einer von ihnen reckte die Hand zu diesem seltsamen Gruß, bei dem Index und kleiner Finger abgespreizt werden. Ist das ein Verwünschungszeichen? Eine Freimaurer-Erkennungsgeste? Muss ich mich fürchten?
Lydia Werner, Margareten,
per Elektrobrief
Liebe Lydia,
Sie müssen sich nicht akut ängstigen, die von Ihnen beobachtete Geste ist harmlos, wenn auch mehrdeutig. Ein Freimaurer-Code ist das Zeichen nicht. In masonischen Kreisen werden Handgriffe zur gegenseitigen Erkennung eingesetzt, diese aber eher diskret. Im Freimaurer-Tempel werden zwar auch Zeichen und Gesten verwendet, mit der von Ihnen reportierten sind diese aber nicht verwechselbar. Die Figur der “Hörner”, italienisch corna ist unter mano cornuta (gehörnte Hand) bekannt. Das Zeichen taucht schon auf etruskischen Grabsteinen auf und darf dem reichen Themenkreis “Abwehrzauber” zugeordnet werden. Heimlich hinter dem Kopf einer Person gezeigt, kann die gehörnte Hand den gehörnten Ehemann symbolisieren. Statt auf Holz zu klopfen oder Eisen zu berühren (toccaferro) können abergläubische Italiener auch die corna zeigen, um erwähntes Unheil abzuwehren. Ihre düsteren Typen aus der U-Bahnstation dürften eher dem Metal-Lager zuzuordnen sein. Dieses Genre kennt die Geste als “metal sign”, “metal horns” oder “maloik”. Als dessen Urheber hielt sich der italoamerikanische Metal-Sänger Ronnie James Dio, der das von ihm so genannte “Maloik”-Zeichen von seiner italienischen Großmutter abgeschaut hatte und ab 1979 öffentlich verwendete. Oma Dio hatte die corna noch gegen den bösen Blick eingesetzt – italienisch malocchio. Kiss-Bassist Gene Simmons will schon 1977 metallisch gegrüsst haben, Black-Sabbath-Kollege Terry “Geezer” Butler gar schon 1971. Hatte er das Zeichen von den Funk-Priestern George Clinton und Bootsy Collins übernommen? Die Parliament-Funkadelic-Musiker kannten die Geste als P-Funk-Sign, als Passwort für ihre schwarze “Mothership”-Mythologie. Noch früher, nämlich 1969, tauchen die Hörner bei der Psychedelic-Schwarzmessen-Rock-Band Coven auf. Den Vogel schiesst John Lennon ab, er zeigt die corna 1968 auf dem Cover des Beatles-Albums “Yellow Submarine”. www.comandantina.com dusl@falter.at