Für meine Gast-Kolumne ‚Lebensart‘ in den Salzburger Nachrichten vom 28. Jänner 2012.
Ich habe einen Freund, der ist Investmentbanker. Ehemaliger Investmentbanker. Heute ist mein Freund Drehbuchautor und Filmregisseur. Wir haben nie darüber gesprochen, warum er auf meine Seite gewechselt ist. Auf die Seite der Kreativen. Vielleicht hatte er eine Vision. Vielleicht hat er sich Oscar Wildes Witz zu Herzen genommen, der da lautet: „Wenn sich Banker treffen, reden sie über Kunst, wenn sich Künstler treffen, reden sie über Geld.“
Wir haben uns im Bankercafé getroffen, mein Freund, der Exbanker, und ich, und da er nun Künstler ist, über was wohl, über Geld gesprochen. Erzähl’ mir, habe ich meinen Freund gefragt, was deine Ex- Freunde, die Investmentbanker, berichten. Falls ihr überhaupt über Geld gesprochen habt und nicht über Wurm-Ankäufe und West-Akquisen, Export-Ausstellungen und Schinwald-Filme. Was sagen deine Ex-Kollegen, die Investmentbanker, wie lauten ihre Prognosen, wie geht die Krise aus, was kommt noch, was wird passieren? Was sagen sie, hinter vorgehaltener Hand, deine Hapschis in den Vorstandsetagen? Muss man sich Sorgen machen? Geht die Welt unter, und wenn ja, wann?
Schwierig, sagte mein Freund, aber er legte dabei die Stirn nicht in Falten. In Wahrheit kennt sich keiner aus. Niemand weiß, was los ist, und nicht mal das weiß man genau. Die einen sagen so, die anderen so, die einen sagen, es geht alles den Bach runter, die anderen sagen, es geht schon wieder aufwärts. Insgesamt könne er die Stimmung mit Farkas beantworten: „Die Optimisten leiden, ohne zu klagen, die Pessimisten klagen, ohne zu leiden.“
Und du, was ist deine Analyse?, bohrte ich weiter, du kennst ja beide Welten. Ich bin unvorsichtig optimistisch, sagte mein Freund, damit bin ich bisher immer gut gefahren. Ich habe Visionen. Eingebungen sind hierzulande gar nicht gern gesehen. Wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Das realpolitisch-neoliberale Paradigma wird dem damaligen Bundeskanzler, Basketballer und Banker Franz Vranitzky zugeschrieben. Er soll damit auf das 1982 erschienene Buch „Politik braucht Visionen“ reagiert haben – auf Aufsätze, Reden und Interviews seines wirkmächtigen Vorgängers Bruno Kreisky. Tatsächlich stammt der Ratschlag mit dem Arzt von einem ganz anderen sozialdemokratischen Bundeskanzler, von Helmut Schmidt, „Schnauze“ genannt und „Macher“. Schmidt antwortete damit in der Bundestagswahl 1980 dem vierten sozialdemokratischen Bundeskanzler in diesem Zitatereigen, Willy Brandt, damals Vorsitzender der SPD. Gedacht war der Ausspruch als Spitze gegen Brandts wirtschaftspolitische Denkmodelle für die Zukunft. Schmidt hielt aktuelles Krisenmanagement für wichtiger. Visionen hatten es seither schwer.
Mit fatalen Folgen.
Ich bin weder Bundeskanzlerin noch Macherin, ich spiele nicht Basketball und sitze nirgends vor. Aber ich habe schon viele Krisen hinter mir. Existenzielle. Krisen mit Zusammenbruchgarantie. Herausgeholfen hat mir aus ihnen allerdings nie der Gang zum Arzt, sondern immer nur die Vision. Die gute alte Vision. Ich behaupte daher resümierend frech: Her mit den Visionen! Banker! Werdet Künstler! Künstler! Macht den Banker!
d’accord
Grandios geschrieben!
Manche Beiträge drucke ich mir aus, damit ich sie Freunden zeigen kann (ich treffe noch welche, wir kommunizieren nicht nur in den soz.Medien). Dann diskutieren wir drüber.
Dieser Beitrag läuft gerade zum Drucker ;o)