Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 04/2012
Liebe Frau Andrea,
in letzter Zeit taucht in meinem Freundeskreis immer wieder folgende Frage auf: Was wurde eigentlich aus Maggi? War die salzige Flüssigkeit früher in jeder Küche und auf jedem Wirtshaustisch zu finden, sind wir uns nun gar nicht mehr sicher, ob es das Produkt überhaupt noch gibt. Spricht man es wirklich „Matschi“ aus? Einige behaupten, Maggi mache impotent, andere sagen, es bestünde zu 100 Prozent aus ausgekochten Schweineknochen. Ist da was dran?
Peter Abel, Wien Favoriten,
per Elektrobrief
Lieber Peter,
Ihre Erinnerung ist nicht getrübt, die kleine braune Flasche mit dem gelben Etikett und dem roten Spritznuckel durfte früher an keinem Tisch fehlen. Die braune Würzflüssigkeit Maggi, liebevoll auch “das Maggi” genannt, gehörte und gehört mit Salz, Pfeffer und Zahnstochern zur Grundausstattung eines österreichischen Wirtshaustisches. Die Beliebtheit der Sojasauce des Alpenlandes und jener des einfachen Wirten dürfte ähnlichen Konjunkturen unterworfen sein. Momentan fristet Maggi ein Dasein als Supermarkt-Bückware. Bobos meiden das als provinziell und altvatrisch begriffene Produkt und setzen urbane Mythen in die Welt, die genauerer Überprüfung meist nicht standhalten. Traditionell wird Maggi in gelinder Dosis, also in einer Menge von zwei bis fünf Tropfen in eine Rindsuppe gespritzt, wobei “spritzen” nicht der richtige Ausdruck ist. Maggiwürze wird mit einer, Österreichern seit Kindertagen vertrauten, schleudernden Drehbewegung des Handgelenks infudiert. Die Dünnflüssigkeit von Maggi sorgt für einen prokjektilartigen Tropfen, der mit hoher Geschwindigkeit in die Suppe eindringt und diese bräunt. Am Verdunkelungsgrad der Wirtshaus-Rindsuppe erkennen gelernte Österreicher die richtige Maggi-Konzentration. Maggi wird “Mággi” ausgesprochen, obwohl Julius Maggi, Schweizer Unternehmer mit lombardischen Wurzeln, der die Würze 1886 erfand, “Madschi” ausgesprochen wird. Der preiswerte Ersatz für Fleischextrakt wurde früher aus Sojabohnen und Weizen hergestellt, seit 2006 ausschlieslich aus Weizen. Schweine und ihre Knochen sind in Maggi nicht enthalten. Den Vorwurf der Impotenz dürfete nachfolgender Sinnspruch entkräften: Graf Kunibert von den Barocken, der wollte einmal kräftig bocken, doch weil sein Sack war schlaff und leer, schrie er dann lauthals “Maggi her!” www.comandantina.com dusl@falter.at