Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 50/2011
Liebe Fragende,
mit grossen, müden Schritten eilt das Fragenjahr an den Punschständen vorbei, an Maronibratern und Kartoffelscheibenversalzern, es bahnt sich seinen Weg durch noch Müdere, Hektische, Kleinscheisseinkäufer, Großgeschenkeaquisiteure und Endzeitsuchende. Längst brennen die Kränze, bimmelt der Advent, Freude kommt auf, Goldlocke kommt bald. Vor der traditionellen Wunschliste an Christkind, Weihnachtsmann und die Jahresendperson erlaube ich mir, den Spiess umkehrend, das gschätzte Publikum dieser Kolumne mit einer Feiertagsaufgabe zu betrauen. Es gibt tatsächlich, und in nicht minderer Zahl, Fragen, die sich meinem Beantwortungsregime hartnäckig verweigern. Liebe Leserin, lieber Leser, da draussen in den Wohnzimmern und Küchen, Ateliers und Bureaus, ja gewiss auch in den Schankräumen und Hinterzimmern der Republik, vielleicht können sie Frau Andrea helfen, ein paar Dinge zu beantworten. Ich bitte um Auskunft! Woher kommt der wienerische Ausdruck “Bracholder” oder “Brachoida” für Rippenstesser, Ellbogenrempler und andere ähnliche Körperinsulte? Wohin sind die offenen Zugfenster verschwunden? Kann man in einem Bus wegen Schwarzfahrens erwischt werden? Wird das Geld weniger oder nur die Anzahl der Bankomaten? (Nach gängigen Krisentheorien müsste es doch umgekehrt sein.) Wovon leben die hunderten “chinesischen Restaurants” in Wien? (Von der Schar ihrer Gäste wohl kaum. Gerät man zufällig – durch Hunger oder Zeittotschlagenot – in ein Gasthaus aus dem Reich der Mitte, ist man stets der einzige Gast.) Wieso wird die Pummerin nur in den letzten Sylvester- und ersten Neujahrsminuten geläutet, der einzigen Uhrzeit des Jahres, zu der sie wegen Raketen- und Böllerkrachs garantiert nicht zu hören ist? Wieso gibt es in Wien tausende Schlüsselmacher und abertausende Sohlendoppler, aber nur mehr eine Handvoll Fleischhauer? Wieso bekommt man in einem Labor immer einen Termin, auch unangemeldet, beim Augenarzt aber nie, und wenn doch, erst in Monaten? Und abschliessend eine Frage an die Stadt-Botaniker unter uns: Nach welchem Geheimplan wurden in Wien die wenigen, rosarot blühende Kastanien gepflanzt? Der einen oder anderen Antwort harrend bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Beste Grüsse und Wünsche, Andrea Maria Dusl, Leopoldstadt, in kaskadierender Textübergabe. www.comandantina.com dusl@falter.at