Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 12/2011
Liebe Frau Andrea,
mein Freund ist zu fortgeschrittener Stunde ein ziemlicher Besserwisser. Im Rahmen dieser Veranlagung hat er unlängst in grösserer Runde erklärt, die momentan auf Facebook grassierende “Atomkraft-Nein-Danke”-Sonne sei eine Erfindung deutscher Nationalisten, die Farben schwarz-rot-gelb wiesen darauf hin. Ich kann das nicht glauben. Bitte um Aufklärung!
Anna Granzer, per Gesichtsbuchdirektnachricht
Liebe Anna,
Österreichs Atomkraftgegner wurden erstmals im Herbst 1978 mit dem legendären Symbol der lachenden Sonne identifiziert. Wer damals halbwegs auf sich hielt, hatte einen “Atomkraft-Nein-Danke”-Button angesteckt, roch nach Patchouli und repetierte Slogans aus dem antinuklearen Diskurs. Eine auffällige Verquickung mit Deutschnationalität ist mir aus den Zeiten der Zwentendorf-Volksabstimmung nicht in Erinnerung. Den von ihrem Freund insinuierten Hintergrund dürfen wir verwerfen, die Lachende Sonne ist die Erfindung einer Dänin. Es war im Frühjahr 1975 als die damals 21jährige Betriebswirtschaftslehrestudentin Anne Lund auf einem Küchentisch in Klostergade in Aarhus die „solmærke“entwarf, eines der meistbekannten Logos unserer Zeit. Das leuchtende Orange und die weichen Formen der Sonne, erklärt die Aktivistin, sei ein Echo aus der eben vergangenen Hippie- und Flower-Power-Zeit gewesen, die Farben gelb und schwarz stammten von den Warnschildern, die vor Strahlung warnten. Der Originalspruch lautete „Atomkraft? Nej tak“, er war freundlich aber direkt und eine Abkehr von den martialischen Demo-Parolen jener Zeit. 200 Buttons mit der Lachenden Sonne wurden auf einer primitiven Maschine gedruckt und fanden während der 1.Mai-Kundgebung 1975 gegen das geplante dänische Kernkraftwerk Gyllingnæs begeisterte Abnehmer. Dann wurde nachgedruckt. Sticker, Abziehbilder, Aufkleber. Es folgten Anfragen aus anderen Ländern. In 45 Sprachen wurde der Sonnenslogan bis heute übersetzt. Reich ist Anne Lund mit den mittlerweile 20 Millionen verkauften Buttons und Stickers nicht geworden. Das Symbol ist durch ein EU-Patent geschützt, die Erlöse gehen an die dänischen Anti-AKW-Aktivisten OOA, die „Organisation für Aufklärung über Atomkraft“. www.comandantina.com dusl@falter.at