Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 11/2011
Schröcklich verehrte Comandantina,
es war so, nämlich saukalt am Wochenende im Seewinkel – es hat auch ein wenig nach Sau-Stall gerochen, aber das tut es überall, wo Kukuruz angebaut wird. Nur: weshalb gelten ausgerechnet die Borstenviecher als Inbegriff der Kälte? Ein Sternbild der Sau – wie bei den Hundstagen – gibt es ja nicht oder? Ich bitte um Aufklärung. Danke und hasta la victoria siempre,
Franz Simbürger, per Elektrobrief
Lieber Franz,
es gibt tatsächlich ein Sternbild der Sau, allerdings nicht in unserem Kulturkreis, sondern im Reich der Mitte. Im traditionellen chinesischen Kalender wird jedem der 12 Erdzweige (Himmelsrichtungen) ein Tier zugeordnet. Nach chinesischer Astrologie wird dem Erdzweig hài im winterlichen 10. Monat zhū zugeordnet, das Schwein. Dass sich chinesische Sternwahrsagerei und ihr Benennungssystem bis in den Seewinkel verbreitet hat, ist unwahrscheinlich. Der Namensbestandteil Sau oder Hund kommt bei uns in vielen Schimpfwörtern vor. Diese sollen, damit sie ihre volle Wirkung entfalten, möglichst derb, gleichwohl aber gerade noch aussprechbar sein. Zu Zeit der Konjunktur dieser Scheltworte galten Schweine und Hunde als niedrige und schmutzige Tiere, heute hat “Scheiss” diese Funktion übernommen. Die Saukälte ist also etwa fluchgleich mit der Scheisskälte. Die pejorativ gebrauchten Bestandteile dienen nur als Verstärker, denn kalt sind ja weder Hund noch Schwein, und auch die festen Körperausscheidungen nicht. Das Maledictum Sau hat sich mittlerweile so stark abgenützt, dass es gefahrlos auch zur positiven Bewertung verwendet wird, wie das Beispiel “saugut” zeigt. Der Begriff Hundstage für die heisseste Zeit des Jahres hat allerdings keinen malediktologischen Ursprung. Er bezieht sich auf das Sternbild Canis Major und seinen grössten Stern, den Sirius oder Hundsstern, dessen Aufgang und Sichtbarkeit im antiken Rom mit “dies caniculares”, Hundstage bezeichnet wurden. Wegen der Eigenbewegung des Sternbildes Canis Major und der Präzession der Erde haben sich die Hundstage und die heisseste Zeit des Jahres seit damals um etwa 4 Wochen von einander entfernt. Der Aufgang des Sirius kann heute erst ab dem 30. August beobachtet. Hundsgemein vom Himmel. www.comandantina.com dusl@falter.at