Futkarlis Abenteuer in Taschen und Körben

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 41/2010
Liebe Frau Andrea,
 
ich hätte da eine Frage, die mir auf der Seele brennt: Was genau bedeutet eigentlich die Bezeichnung/Schmähung „Futkarli“, beziehungsweise, ist sie überhaupt offiziell bestätigt oder handelt es sich dabei um die Erfindung eines mir näher bekannten Fotografen? Und wenn offiziell und beglaubigt: Welche Eigenschaften wirft man einem Futkarli vor oder sagt sie ihm nach?
Liebe Grüsse, Dein Florian Holzer,
Neubau, per Gesichtsbuchnachricht
Lieber Florian,
schön sprechen, möchte ich Dir zurufen, sonst scheisst Dir das Christkind was. Gerne lösche ich den Brand auf Deiner Seele. Der ebenso schöne wie unmissverständliche Ausdruck Futkarli ist bestes und uraltes Wienerisch und bezeichnet den “chercheur de femme”. Georg Danzer hat ihm in seinem Lied Vorstadtcasanova ein spätes Denkmal gesetzt: “(…) I bin a Vuaschdodtcasanova”, singt er da, “und des bleib i a – da fesche Gustl mid da immahoatn Reahrn – und wauns es sogts i bin a Futkarli, daunn hobts jo recht – i bin mid Leib und Söh a echta Pudarant – i reiß a jede auf, de wos bei uns ins Beisl kummt – und noch zwa Schdund hob is im Haustua zuaweglahnt – i hob scho haufnweis de Hasn üwas Glanda bogn (…)” Die Expertise Georg Danzers entlastet die Autorenschaft des Dir (und mir) näher bekannten Fotografen. Karli dürfen wir als Diminutiv des Vornamens Karl begreifen, dessen Herkunft vom Begriff “Kerl” schwingt dabei stets mit. Kommen wir zum Wortbestandteil Fut. Es ist verwandt mit dem deutschen Wort Fotze und bezeichnet das weibliche Geschlechtsteil. Schon im Altnordischen finden wir es als fuð (Scheide) – auch in der Wortzusammensetzung fuðflogi (Brautflüchtling) und dem schon Proto-Wienerischen Schimpfwort fuðhundr (Futhund). Bei näherer Analyse von Fut (Mehrzahl: die Futen) fällt die Verwandtschaft mit Futteral und Futter (der Innenseite von Kleidungsstücken und Taschen) auf. Sie können auf das indogermanische *pah- (schützen, scheiden) zurückgeführt wird. Im Altindischen bezeichnet etwa pātra den Behälter, das Gefäß, im Hethitischen pattar, pattur den Korb. Wolltest Du den durchaus liebevoll gebrauchten Ausdruck Futkarli etwas entschärfen, riete ich zur gänzlich unverfänglichen Version “Kanisterkerl”.
www.comandantina.com dusl@falter.at
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als hätten wir keine anderen sorgen…
sehr geehrte frau dusl,
leider muss ich wieder einmal intervenieren, wenn es um die herkunft eines wienerischen begriffes geht: der „futkarli“ ist tatsächlich eine – höchstwahrscheinlich von georg danzer (hab mit ihm darüber gesprochen) selbst erdachte – verballhornung des viel häufiger gebrauchten wortes „futkaschperl“. dieses original bezeichnet allerdings nicht einen „chercheur de femme“, wie Sie etwas unfundiert vermuten, sondern eher konträr jemanden, der sich bedingungslos der regentschaft (einer bestimmten vertreterin) des weiblichen geschlechts unterwirft, „simandl“ sagt man auch dazu, dort, wo man wirklich sattelfest ist in seinem dialekt. 
sorry, aber so richtig erklären kann man halt doch nur dinge, die man genau weiß.
mit vorzüglicher hochachtung,
helmut emersberger
am 14.10.2010 um 09:53
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Sehr geehrter Herr Emersberger,
Vielen Dank für Ihre Intervention. Ich möchte Ihrer Georg-Danzer-Verehrung keinesfalls nähertreten.
Ich halte es für durchaus möglich, dass der große Wiener Künstler das Wort „Futkarli“ für das 1993 erschienene Lied Vorstadtcasanova „selbst erdachte“, wie Sie in einem Zwiegespräch erfahren haben wollen.
Ungeachtet dessen zirkuliert der Ausdruck „Futkarli“ aber auch schon in den 1970erjahren, zum einen 1970 als Titel einer Radikal-Synchronisation des Films “Rhythmus der Nacht”/”Boite de nuit” (Frankreich, 1951), erarbeitet von Studenten und Studentinnen der Akademie der bildenden Künste in Wien, zum anderen zwischen 1973 und 1975 unter dem Titel „Futkarlis Abenteuer“ als früher Comic von Manfred Deix, erschienen in Günther Nennings „Neue Freie Presse“. 
Zeitzeugen in meinem Freundeskreis sind bereit zu schwören, den Begriff „Futkarli“ schon 1963 gehört zu haben, wenn nicht vorher. 
Futkarli ist keine Verballhornung von Futkaschperl und wird auch von Danzer keineswegs synonym verwendet, jedenfalls nicht in dem Sinne, in dem Sie das Wort „Futkaschperl“ interpretieren, nämlich als jemand, „der sich bedingungslos der Regentschaft (einer bestimmten Vertreterin) des weiblichen Geschlechts unterwirft“. 
„Simandl“, hier erodieren Sie Ihre These, sage man auch dazu, dort, wo man wirklich sattelfest sei in seinem Dialekt. 
Wo man tatsächlich sattelfest ist in seinem Dialekt, sagt man Simandl zu einem verheirateten Mann, der sich von seiner Frau schlagen und demütigen lässt. Der Ausdruck kommt von einem 1528 in Krems an der Donau lebende Simon Handl, der von seiner Gattin derart viel geschlagen wurde, dass die Verballhornung seines Namens sprichwörtlich wurde. 
Danzers Futkarli ist jedenfalls weder ein Futkaschperl noch ein Simandl. Auch verkehrt er (im Song Vorstadtcasanova) mit mehreren, ja vielen Frauen. „Die bedingungslose Unterwerfung unter die Regentschaft (einer bestimmten Vertreterin) des weiblichen Geschlechts“, wie sie insinuieren, liegt also nicht vor.
Als genauer Kenner des Wienerischen hat Danzer einen geläufigen und typischen Ausdruck aufgegriffen: Den Futkarli – den chercheur de femme.
So richtig erklären kann man halt doch nur Dinge, die man genau weiß, schreiben Sie in Ihrem mail. Völlig richtig. 
Beste Grüsse,
Andrea Maria Dusl
Sat, 16 Oct 2010 23:38:26

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liebe frau dusl,
hui, da kommt ja gleich ein ganzes bergwerk daher. kompliment, brillante replik, ganz wie man es von Ihnen zu lesen liebt. mit schluss und so. sehr musikalisch. Sie erklären das alles wirklich leiwand, man sieht, Sie kennen sich da echt aus, mit anscheinend uralten gewährsleuten sonder zahl.
das mit dem simon handl ist ja furchtbar. hab ich gar nicht gewusst bis dato. fühle mich im dialekt jetzt überhaupt nicht mehr sattelfest. danke jedenfalls für die aufschlussreiche aufklärung über dieses, wie mir scheint, typisch österreichische schicksal.
aber wird dadurch meine these wirklich erodiert, wenn es um „futkaschperl/simandl“ geht? glaub ich nicht. wir reden halt anscheinend wirklich von zwei verschiedenen begriffen.
wie soll ich sagen, einer, der so extrem die frauen sucht wie der futkarli, ist naturgemäß auf schnellen erfolg aus und bedient sich mitunter einer strategie der „maskierten unterwerfung“, „menschenversteherei“ könnte man es im weitesteten sinne nennen, so etwas wird Ihrem scharfen blicke wohl schon untergekommen sein. ja, eh bei mehreren frauen, rasch getaktet, aber immer mit dem selben schmäh. das könnte eventuell ein grund für meine assoziation und in-den-topf-werfung der beiden Ihrer meinung nach völlig voneinander verschiedenen begriffe gewesen sein. so hab ich es jedenfalls im song aufgefasst. und für mich gibts da auch die schnittmenge. nämlich genau da.
verwandte komposita sind ein hund. um es kurz zu machen, kniefall, pardon für meine harsche kritik. nicht bös sein, wird immer wieder vorkommen.
mit vorzüglicher hochachtung,
helmut emersberger
ps.: dass Sie meiner danzer-verehrung nicht nähertreten wollen, find ich ganz nett, auf der produktion „nahaufnahme“ jedenfalls werden Sie vor dem vorstdtcasanova einen titel namens „wiener trilogie“ gehört haben, wurde seinerzeit eingeladen, mitzuwirken, im zuge der aufnahmen für dieses album will ich mit ihm gesprochen haben.
pps.: jetzt gibt es von meiner seite auch noch eine frage an frau dusl: war heuer im sommer auf der kroatischen insel ilovik. keine autos, keine straßen, ein kleines dorf, ein yachthafen. boote unter aller herren länder flaggen, mit namen wie „seastar“, „invincible“, „oceanqueen“, „triumph“ etc. ein einziges dieser boote trug rot-weiß-rot. auf dem heck prangte in stolzen lettern der schriftzug: „fiasko“. was könnte der tiefere grund für eine solche namensgebung sein?
17. Oktober 2010 02:26:27 MESZ
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Liebe Andrea Dusl,
Futkarli ist ein Ausdruck aus den späteren 40erjahren, wo Karl (Koaarl) für Charlie – Amerikaner stand. Koarl heißt auch: überdrehten, übertriebenen Spaß haben, in Anlehnung an die GIs. Der Ausdruck dürfte Anfang bis Mitte der 50er, laut Zeitzeugen (Bull Kirchmaier, Ferdinand Trauttmansdorff, Jazz Freddie Jelinek, Padhi Friedberg usw.) ganz sicher über den legendären Arbeiterdichter und Kohlenhändler Otto Kobalek (kobo), auch als Ghostwriter Helmuth Qualtingers bekannt (geb. 1930 in Wien, verstorben 1995) in seinem Stammlokal Feinkost Gutruf gelandet sein und von dort zu Thomas Stimm und Leopold Redl und ihrem 1970 herausgebrachten Film „Futkarli“, sowie etwas später zu den Stammgästen Prokopetz, Tauchen und Danzer. Es bezeichnete Männer, die nur über Frauen reden, bei denen sich alles darum dreht (bis zur vollen Abhängigkeit) und galt im Gefängnis der Nachkriegszeit unter längere Zeit absitzenden Häftlingen als negativ konnotiert .
mvg. Oki Trauttmansdorff
25. Oktober 2010 23:22:00 MESZ
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4 Gedanken zu „Futkarlis Abenteuer in Taschen und Körben“

  1. Seas liebe Dusl,
    Soviel ich weiß hat sich der Corn, wenn er im Freudes-bzw. unverfänglichen Bekanntenkreis sich den momentan Kennengelernten als Futkarli vorgestellt. Sonst eh net.
    Da Florian (i hob zwoa Zucker, oba haupsoch a Leba is dabei) Holzer kennt si mitlaweile supa mitn Essn undn Wein aus, aber ist mit der wiener Umgangssprache nicht gerade firm.-Egal.
    Ganz was Anderes: Ich krieg am 10.11. unglaublich tolles Fleisch (Bio-Galloway-Lungenbraten vom Attersee) und lade mir zur Verbrutzelung gerne Gäste ein.
    Und zwar am 13.11.- wie wärs, wennst auch dabei bist?- Die anderen Gäste kennst eh auch alle.
    Auf die Nachbarschaft und ein neues rotes Wieden,
    Jürgen
    PS: Bitte um Antwort bez Essen…

  2. danke, danke, danke – wie schön diese Analyse klingt. wienerisch, am punkt und ein bisserl oberlehrererin schwingt ah no mit.
    sehr leiwand
    lgr, hansiburli

  3. verehrte comandantina,
    den Futkarli kenne ich aus zahlreichen Quotierungen meines Wiener Strizziausdrücken profund mächtigen und auch dieser Szene nicht ganz fremden Mannes, der sich auch gerne spracherfinderisch betätigt. Mit Futkarli bezeichnet er durchwegs meine ihm nicht ganz geheueren Freunde, die man in anderem Zusammenhang eventuell auch Wappler nennen könnte. In jedem Fall hängt bei uns dem Futkarli etwas Schmieriges an, er ist kein ‚klasser Bursch unter uns Spitzen-Haberern‘, sondern zählt zur 2. wenn nicht 3. Garnitur im Rudel an der Budel.
    herzlichst, Ihre
    Elizabeth T

  4. liebe andrea dusl.futkar.. iat ein ausdruck aus den späteren 40er jahren wo karl(koaarl)für charlie Amerikaner stand.koarl heißt auch überdrehten ,übertriebenen spaß haben,in anlehnung an die g;s ..Der ausdruck dürfte anfang bismitte der 50 er, laut zeitzeugen (bull kirchmaier.ferdinand trauttmansdorff,jazz freddie jelinek,padhi friedberger…usw..) ganz sicher über den legendären arbeiterdichter und kohlenhändler otto kobalek (kobo), auch als ghostwriter helmuth qualtingers bekannt , geb.1930 in wien ,verstorben 1995, in sein stammlokal feinkost gutruf gelandet sein und von dort zu thomas stimm und leopold redl und ihren 1970 herausgebrachten film ;futkarli;sowie etwas später zu den stammgästen prokopetz,tauchenund danzer. es bedeutete männer die nur über frauen reden und sich alles darum dreht(bis zur vollen abhängigkeit) und galt im gefängniss der nachkriegszeit unter längere zeit absitzende häftlinge als negativ konnotiert .
    mvg.oki trauttmansdorff

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